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Sturmherz

Sturmherz

Titel: Sturmherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Geh!“
    Ich witterte, wie sehr sie bei mir sein wollte, und doch weigerte sie sich. Seltsame Menschen. Möglicherweise waren es die Blicke der Frauen, die sie verunsicherten. Was auch immer es war, ich würde tun, was sie wollte. Mari lächelte sehnsüchtig, als ich in die Kabine ging. Selbst die wenigen Momente, die ich allein damit zubrachte, mich umzuziehen, dauerten mir bei weitem zu lange.
    Meine Knie zitterten, als ich den Vorhang zurückzog und ihr entgegentrat. Ich fühlte mich stark und schwach zugleich, während meine Gedanken meinem Körper vorauseilten und Mari im Geiste küssten, hier und jetzt und vor allen Menschen.
    „Klasse.“ Das Wort kam krächzend aus ihrer Kehle. „Das nehmen wir.“
    Sie hob eine Hand mit hochgerecktem Daumen, fingerte in ihrer Tasche herum und ging zu der Frau, die lauernd hinter einem Tresen stand. Während beide Scheine, Münzen und Zettel austauschten, kam eine der Verkäuferinnen zu mir herüber, beugte sich nah an mich heran und stopfte mir etwas in die Hosentasche. Ein betäubend intensiver Duft nach Blumen ging von ihrem Hals aus.
    „Falls du mal Lust auf richtigen Spaß hast“, hauchte sie in mein Ohr, „dann ruf mich an, Süßer.“
    Sie verschwand wieder, schnell und leise wie ein Gespenst, aber nicht ohne ihre Hand über meinen Arm streifen zu lassen. Der Zettel, den ich aus meiner Tasche zog, war beschrieben mit einer Abfolge von Zahlen. War das eine geheime Botschaft? Was sollte ich damit anfangen?
    „Willst du wieder nach Hause?“ Mari stand unvermittelt vor mir. So abgelenkt war ich von den Farben, den Geräuschen und meiner Ratlosigkeit, dass ich sie nicht kommen gespürt hatte. „Geht’s dir gut? Was ist das?“
    Sie schnappte sich den Zettel, musterte ihn und zog die Augenbrauen zusammen. Geschwängert von dem aufkeimenden Ärger, heizte sich die Luft um uns herum auf.
    „Wer hat dir das gegeben? Eine dieser Schnepfen?“
    „Ja. Was ist das?“
    „Eine Telefonnummer.“
    „Eine was?“ Ich starrte sie nur an. Mari rollte mit den Augen, zerknüllte den Zettel und warf ihn zu Boden.
    „Du hast doch diese Dinger gesehen, die neun von zehn Leuten am Ohr haben?“
    „Ja.“
    „Das ist unsere gängige Art, sich zu unterhalten. Du kaufst dir so ein Ding, bekommst eine Nummer zugeteilt und kannst diese Nummer jedem geben, mit dem du reden willst. Hat derjenige aus so ein Ding, gibt er die Nummer ein und hat dich am anderen Ende der Leitung, egal wie weit du weg bist. Klar soweit?“
    Ihre Worte besaßen für mich so viel Aussagekraft wie das unverständliche Brummen eines Knurrhahns. „Wie soll das gehen? Die Dinger haben keine Leitung.“
    „Das geht über Satelliten. Über … ach Scheiße, ist doch egal. Jedenfalls will diese Schnepfe, dass du sie anrufst und …“ Mari stieß ein Knurren aus. Ihre Wut steigerte die Hitze in meinem Körper. Ich wollte sie festhalten, an mich drücken und dieses zornige Zittern an meiner Haut spüren.
    „Weißt du was?“ Ehe ich meine Idee in die Tat umsetzen konnte, fuhr sie herum und strebte zum Ausgang hinüber. Meine zupackenden Hände griffen ins Leere. „Ich habe gerade keine Lust, dir das zu erklären. Willst du noch einen Kaffee? Oder Kuchen? Oder möchtest du nach Hause?“
    „Kuchen.“ Mir lief das Wasser im Mund zusammen. „Kuchen klingt gut.“

    Mit baumelnden Füßen saßen wir auf der Hafenmauer. Die Sonne brannte auf unsere Rücken, die Schiffe und Kutter rumpelten gemütlich aneinander. Ich hielt einen Pappteller mit einem Stück Apfelkuchen, teilte mit den Fingern kleine Stücke ab und fütterte Mari damit. Sie kicherte, als Krümel in ihren Schoß fielen. Die zarten Berührungen ihrer Lippen an meinem Fingern waren kurz davor, mir jede Beherrschung zu rauben. Und das, obwohl noch nicht einmal Vollmond war. Als sie den Kuchen aufgegessen hatte, drehte ich Mari herum, bis wir Rücken an Bauch saßen, zog sie an mich und steckte meine Nase in ihre Haare. Der Mann in mir wollte in diesem Moment nur eins: Sie vor allem und jedem beschützen.
    Ich küsste ihren Nacken, schnupperte an ihrer Haut und sog jeden Augenblick in mich auf, denn er war flüchtig und kostbar. Auf einem der Stege saß eine Greisin in einem Rollstuhl, bewacht von einem Mädchen, das kaum älter war als Mari. Eine Faust grub sich in meinen Magen, ehe ich mich gegen sie wappnen konnte. Auch Mari würde alt werden. Schneller, als ich mir eingestehen wollte. Wenn wir zusammenblieben, würde ich irgendwann ihren Rollstuhl

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