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Sturmherz

Sturmherz

Titel: Sturmherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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meinem Kopf, überließ mich ganz dem Instinkt und trieb meinen Gegner langsam, aber beharrlich zurück. Wenige Schritte hinter ihm lag ein großer Felsen. Dort würde sein Rückzug enden. Und sein Leben.
    Ich war mir meines Sieges sicher, doch irgendwann geschah es. Eine meiner Ausweichbewegungen zur Seite ließ mich stolpern. Raer wusste diese Gelegenheit zu nutzen, holte aus und schlug blitzschnell zu, ehe ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Sengendes Feuer brach an meiner Schläfe aus. Die Schwärze kam unmittelbar.
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich im Sand und Raer kauerte zähnefletschend über mir.
    „Leb wohl, kleiner Bruder.“
    Seine Fänge, selbst in Menschengestalt lang und spitz, bohrten sich tief in meinen Hals. Ein Schrei brannte in meiner Kehle, erstickt vom reißenden Schmerz. Ich trat und schlug um mich, doch Raer saß auf mir wie ein unverrückbarer Fels, biss erneut zu und suchte nach der Ader, die er zerfetzen musste, um mich innerhalb kürzester Zeit verbluten zu lassen. Panik übermannte mich. Ich knurrte, zappelte und wehrte mich aus Leibeskräften, und als Raer nach dem dritten Biss zurückwich, wusste ich nicht, ob er es aus freien Stücken tat oder ob einer meiner Tritte und Schläge ihn dazu gebracht hatten. Er kippte zur Seite, das Gesicht blutbesudelt, die zu einem Grinsen verzogenen Lippen triefend rot. Sein hasserfüllter Blick durchbohrte mich, dunkel vor Zorn und Triumph, dann rannte er in die Wellen hinein und verschwand.
    Waren die Seehunde rechtzeitig gekommen, um mein Fell in Sicherheit zu bringen? Kein Ruf erklang, kein Gedanke.
    Ich schaffte einen Schritt hin zum Wasser, spürte den zupackenden Griff der Ohnmacht und sank zu Boden. Blut rann durch meine Finger, viel zu viel, in einem heißen und pulsierenden Strom. Die Heilung setzte bereits ein, ich spürte ihr erstes, zartes Prickeln. Und doch geschah es zu langsam. Noch immer spürte ich die Nachwirkungen des Schlages gegen meine Schläfe. Immer wieder schwanden mir für kurze Momente die Sinne, versanken in zäher Tiefe, klärten sich wieder und verblassten erneut. Ich wollte mich auf die Beine kämpfen, wollte ins Wasser und Raer verfolgen, denn ich wusste, wohin er schwimmen würde.
    Zu Mari.
    Verzweifelt versuchte ich, mich hochzustemmen. Doch die Knochen meiner Beine schienen sich in Quallen verwandelt zu haben. Ich fiel zurück in den Sand, versuchte es ein zweites Mal und ging erneut in die Knie. Zwecklos. Mir blieb nichts übrig, als zu warten.
    Ich drückte meine Hand gegen die Halswunde und lehnte mich mit dem Rücken gegen einen Felsen.
    Nur noch ein paar Momente der Heilung. Ein paar Atemzüge, dann würde die Kraft wiederkehren. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich.
    Die Macht und Lebenskraft des Meeres floss durch meinen Körper, vibrierte in meinem Fleisch und Blut. Langsam, Faser für Faser, schlossen sich die Löcher, die Raers Zähne gerissen hatten.
    „Wen haben wir denn da?“
    Eine kalte, säuselnde Stimme ließ mich aufschrecken. Nur schleppend verarbeiteten meine benommenen Sinne, was ich sah. Nein! Bitte nicht!
    Nicht jetzt, wo Raer das Menschenmädchen verfolgte.
    Nicht jetzt, wo ich nicht die Kraft hatte, zu fliehen.
    Wie gelähmt starrte ich zu Ruth und Aaron auf.
    Ich musste weg hier. Ins Wasser springen. Zu Mari schwimmen.
    Sie warnen.
    „Ich wusste, dass du mir nicht entkommst.“ Ruth ging in die Hocke, legte den Kopf schief und starrte mich an, zuerst triumphierend, dann sorgenvoll. Ihr Blick durchbohrte mich kalt wie Eis. Gier lag darin.
    Und eine schreckliche Form von Liebe, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. „Ich habe euren Kampf gesehen. Du bist verletzt. Lass mich das ansehen.“
    Sie griff nach mir, berührte schon meine Hand, die auf meinem Hals lag, als das Tier in mir zum Leben erwachte. Ich bleckte die Zähne, knurrte sie an und stieß sie mit dem freien Arm von mir.
    Rücklings landete Ruth im Sand.
    „Okay, ich sehe schon.“ Sie rappelte sich auf, fuhr zu Aaron um und vollführte eine auffordernde Handbewegung. „So schlecht kann’s dir nicht gehen. Los, schick ihn ins Reich der Träume.“
    Der Mann schüttelte den Kopf und wich einen Schritt zurück. „Das können wir nicht machen. Er ist verletzt. Damit schickst du ihn nicht schlafen, sondern bringst ihn um.“
    „Unsinn.“ Ruths Blick heftete sich wieder auf mich. Er war flammend und wild wie der eines ausgehungerten Orcas. Eine widerliche Zärtlichkeit lag in ihrer Stimme, als sie weiter

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