Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht
lesen können «, erwiderte Nova mit einem raschen Lächeln und verließ das Esszimmer, bevor jemand sehen konnte, wie er errötete.
Es hatte gerade aufgehört zu regnen, als Hel an Deck ging, um Harlem etwas zu essen zu bringen. Die Zwergin saß auf dem Hochsitz, den Trollen zugewandt, und ließ die Peitsche knallen. Der Boden bebte unter dem steten Vorwärtstrotten der Trolle.
Hel räusperte sich. »Ich hab was zu essen für dich mitgebracht. Wenn du willst, löse ich dich jetzt ab«, sagte sie zu Harlem. Die Zwergin beäugte misstrauisch ihren Eintopf, steckte den Finger in die Schüssel und probierte kurz, dann erhob sie sich.
»Gut. Ich geh mal rein … und würze das nach.« Sie schwenkte die Schüssel und überreichte Hel die Peitsche. »Nicht mal Essig … Menschen!«, murmelte Harlem liebevoll tadelnd. Dann kletterte sie die Stiege hinunter.
Hel nahm ihren Platz im Hochsitz ein und blickte nachdenklich auf die gewaltigen Trolle, die das Schiff antrieben. Im Moment verrichteten die Kolosse stumm ihren Dienst, und sie war froh, nicht die Peitsche schwingen zu müssen.
Leise kam Kelda an Deck. Hel winkte ihm zu. »Willst du nicht hochkommen und mir Gesellschaft leisten?« Er lächelte sie an, wie immer bedacht, dabei den Mund geschlossen zu halten, sodass sie seine spitzen Isenzähne nicht sah. Als wollte er seine Herkunft am liebsten leugnen. Er erklomm die Stiege und ließ sich neben Hel fallen. Unter ihnen gingen die Trolle im Kreis. Kelda blieb stumm wie so oft.
»Ich hoffe, ich habe dich nicht gestört«, sagte Hel nach einer Weile. »Entschuldige. Ich wollte einfach nicht allein hier sitzen. Wenn du gerade etwas Wichtiges …«
Kelda stieß ein Lächeln durch die Nase. »Immer so höflich! Auf dem Schiff, auf dem du groß geworden bist, waren da alle so wie du?«
Hel dachte kurz an die Mannschaft der Schwalbe , unter der es üblich gewesen war, sich mit einem Tritt in den Allerwertesten zu begrüßen. Oder zu verabschieden. Oder sonst wie mitzuteilen.
Kelda deutete ihr kurzes Schweigen richtig und für einen Moment fühlte sie seine Hand auf der Schulter. Als sie ihn ansah, blickte er wieder in den grauen Himmel hinauf. Seine Finger drehten an einer isischen Pfeife aus Silber und Schilfrohr, die er in Aradon erstanden haben musste. Seit Kurzem lief er ständig damit herum, auch wenn Hel ihn noch nie beim Rauchen gesehen hatte.
»Wie ist es mit Nova und … Aricaa gelaufen?«, fragte er.
Hel runzelte die Stirn. »Woher weißt du davon?«
»Die Söldner.«
Sie musste auflachen. »Und ich dachte früher, die vier wären furchtbar ernst und verschwiegen.«
»Sie tratschen mehr als alte Marktfrauen.«
Sie grinsten sich an.
»Na ja, wie es mit Aricaa war, weiß ich auch nicht. Nova schreibt gerade ein Gedicht.«
Kelda nickte, als sei das die naheliegende Reaktion auf ein Wiedersehen mit einer sitzen gelassenen Verlobten.
»Ich hoffe, er hat das Richtige getan.«
Hel schwenkte nachdenklich die Peitsche. Sie hasste die Trollaufsicht, aber zum Glück reichte es meistens, die Peitsche in der Luft knallen zu lassen. Auch wenn die Körper der Trolle mehr Fels als Fleisch waren, brachte sie es nie über sich, ihnen etwas anzutun. Vor allem hier oben, bei der Aufsicht, konnte man die hässliche Tatsache nicht mehr leugnen, dass alle Errungenschaften der Magie auf Ausbeutung basierten. Nein – nicht nur die Errungenschaften der Magie, das war eine feige Ausflucht. All die Annehmlichkeiten, mit denen auch sie, Hel, lebte, waren auf der Knechtschaft anderer gebaut. Sie räusperte sich und vertrieb diesen Gedanken.
»Ja, Nova … Dass er sich richtig verhalten hat, hoffe ich auch, aber das wäre eine Überraschung. Es würde ja schon reichen, wenn er nichts schlimmer gemacht hat.«
»Magst du ihn?«, fragte Kelda unverwandt.
Hel starrte ihn an. »Nein! Nein.«
»Das meinte ich nicht«, sagte der Ise ruhig. »Dass ihr kein Liebespaar seid, ist offensichtlich. Ich frage nur, ob du ihn wirklich magst, von Herzen.«
Ihre Wangen begannen zu glühen. »Natürlich. Er ist ein Freund.« Sie wollte sagen: mein bester Freund, doch traute sich nicht. Dabei war er genau das. Ihr bester Freund. Und ihr einziger. Vor dem Absturz der Schwalbe waren auch die Sturmjäger ihrer Mannschaft ihre Freunde gewesen, ja, ihre Familie. Trotzdem war es mit Nova anders.
»Du redest oft schlecht von ihm, deshalb war ich mir nicht sicher«, erklärte Kelda.
»Oh.« Hel wurde bewusst, dass er recht hatte. Wieso eigentlich?
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