Sturmkaempfer
und trat auf den hohen Balkon, von dem aus man die Felder überblicken konnte. Die kühle Nacht lag still, und hier, wo der Jägermond hinter den Pinien in der Ferne versank, ließ sich der Toten besser gedenken.
Isak streichelte gedankenverloren den Smaragd in Eolis’ Griff. Die Facetten fühlten sich in der eisigen Winternacht samtig an. Auf den silbernen Klauen, die den Stein hielten, schlug sich Feuchtigkeit nieder. Der breite Fluss, der die geraden Linien der Felder durchschnitt, wirkte zwar ruhig, doch in Wirklichkeit war er reißend und gefährlich. Isak sah seinen Atemwolken nach, wie sie über die Zinnen gepresst wurden und dann ins Nichts vergingen.
Plötzlich glitt eine eisige Berührung Isaks Rückgrat hinab – und er zuckte erschrocken zusammen. Dann ließ ihn ein kaltes Prickeln im Nacken eilig über seine Schulter blicken. Der Balkon war nur zehn Meter breit und völlig leer. Alterrs Licht warf einen tiefen Schatten auf die Wand hinter ihm, aber niemand – und nichts – lauerte darin, soweit Isak es sehen konnte. Es gab kein Fenster, durch das man ihn beobachten konnte, und als er einen Splitter Magie umfasste, war er sicher, dass wirklich keine Seele in der Nähe war.
Trotzdem fühlte sich Isak so unwohl, als befände sich ein körperliches Wesen neben ihm. Die kalte Luft kroch in seine Kleidung und die Schatten wurden tiefer und dunkler. Er schloss die Hand fest um Eolis. Noch immer sah er nichts. Panik wallte in ihm auf. Als sich eine Wolke über Alterrs Antlitz schob, erschauderte Isak. Dieser eisige, dunkle Ort war nicht für Sterbliche geeignet. Er drehte sich um und eilte wieder ins Haus.
Aus den Schatten wurde die jähe Flucht des Jungen amüsiert beobachtet. Seine Unsicherheit, sein Schwermut und seine wirren Ängste ließen einen süßen Duft zurück.
Noch immer so blind, aber hab keine Angst. Noch nicht. Du weißt ja noch kaum, wer du bist — du bist noch nicht bereit, meinen Namen zu erfahren.
20
Isak war dankbar, dass die Seidenmaske sein Gesicht verdeckte, als der Strom von Reitern durch die Straßen von Tirah zog. Die Massen trotzten einem kalten Wind und Schneewehen, um an den Seiten der Straßen zum Palast zu stehen. Unter den Schals und Kappen zeigte sich gerötete Haut, die sich jedoch im Lächeln und Jubeln verzog, mit dem sie die Truppen begrüßten. Eine Siegesparade zog die Leute immer auf die Straße, und wenn es nur geschah, um die Farlan-Kavallerie in ganzer Pracht zu sehen. Sogar die Geister hatten sich Mühe gegeben, besonders gut auszusehen, und auch die Ritter waren so herausgeputzt wie immer. Und doch war es Isak, der alle Blicke auf sich zog.
Auf Bahls Wunsch hin trug der Krann volle Rüstung und nur eine Bärenhaut um seine Schulter zollte der Kälte Tribut. Es gelang ihm, nicht zu offensichtlich zu zittern. Ausgesprochen unbequem war es schon, doch es zeigte zweifellos große Wirkung auf das Volk – sein Volk. Obwohl sie womöglich noch Angst davor hatten, was hinter diesen besonderen Gaben stecken mochte, war doch der Anblick von Siulents und Eolis und des stolzen smaragdfarbenen Drachens, der die Flanken von Isaks Streitross zierte, unwiderstehlich.
Die Bürger von Tirah jubelten ihrem Heer und Isak an seiner Spitze zu. Bahl ritt neben ihm, Isak spürte jedoch die Augen noch
lange, nachdem er das Tor der Vorburg durchritten hatte, auf seinem Rücken. Flackernde Ölfeuer erleuchteten den dreißig Meter langen feuchten Steintunnel, dann erreichte der Zug die vertraute Umgebung des Palasthofes, wo er formell vom gesamten Personal und den Bewohnern des Palastes und der Kaserne empfangen wurde. Wachen und Rekruten, alle in voller Gardeuniform, standen ihm in sauberer Reihe zur Linken, das Palastgesinde zur Rechten. Dahinter drängten sich ängstliche Frauen und Kinder, die noch nicht wussten, wer überlebt hatte und wer gestorben war.
Schwertmeister Kerin stand vor seinen Schülern und salutierte lächelnd, als die Truppen an seinen jubelnden Männern vorbeimarschierten. Selbst die Adligen und Beamten, hinter dem Palastgesinde versammelt, stimmten in den lautstarken Empfang ein. Bahl nahm seinen Schwertmeister zur Kenntnis und achtete nicht auf den Rest. Er stieg vom Pferd, sobald er die Stufen erreichte. Lesarl hatte sich bereits mit zwei Schreibern im Schlepptau aus der Gruppe der Beamten gelöst und gesellte sich zu Bahl, während dieser in den Palast ging. Man überließ es Isak, die Begrüßung entgegenzunehmen und jeder Gruppe ein
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