Sturmkaempfer
verabscheute mich nicht, nur weil ich ein Weißauge war, und er hasste mich nicht dafür, dass ich meine Mutter tötete, so wie es mein Vater tat.« Er lächelte, als er sich erinnerte. »Er ist vermutlich sogar der Grund dafür, dass mein Vater und ich uns nicht gegenseitig umbrachten.«
»Warum lasst Ihr ihn nicht holen, diesen Carelfolden, wenn er doch Euer Freund ist?«, fragte Vesna neugierig.
Isak zuckte die Achseln. Er hatte dann und wann daran gedacht, genau das zu tun, aber irgendwie war er doch nie wirklich dazu gekommen. Er war auch nicht sicher, warum. Carels Lächeln und die heisere Stimme waren in allen seinen schönen Kindheitserinnerungen anwesend. Er hatte Isak angetrieben,
mehr als nur ein Weißauge zu werden, er hatte die Wucht der Verzweiflung des jungen Mannes schweigend erduldet, wenn sie hochkochte. Carel war so ziemlich die einzige Person, auf die Isak etwas gab, und der einzige Mensch, von dem er wollte, dass er stolz auf ihn war. Und doch hielt ihn etwas ab.
»Mein Lord? Wäre es nicht gut, einen weiteren Mann zu haben, dem Ihr vertrauen könnt? Dessen Meinung für Euch zählt? Wenn er ein Geist war, dann ist er sicher vertrauenswürdig und fähig – und wird bereits wissen, dass das Leben des Adels oft alles andere als glorreich ist. Ihr braucht eigene Leute, Männer, die loyal zu Euch und zu niemandem sonst stehen.«
»Wollt Ihr damit sagen, ich könne nicht den gleichen Leuten trauen wie Bahl?«
Vesna schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht. Aber der Haushofmeister ist der Diener des Lords der Farlan, gleichgültig wer es ist. Lordprotektoren wie Torl oder Tebran, Männer wie Schwertmeister Kerin sind Lord Bahl selbst treu ergeben. Sie sind ebenso sehr seine Freunde wie seine Untergebenen. Ich sage nicht, dass sie eine Gefahr für Euch darstellen, aber Ihr müsst erkennen, dass Ihr nun selbst eine große politische Macht besitzt. Doch Ihr seid nur ein Mann – und ein junger obendrein. Ich stehe natürlich loyal zu Lord Bahl und zu Nartis, aber Euch habe ich Gefolgschaft geschworen, Lordprotektor Anvee. Damit will ich sagen: Lord Bahl hat seine eigenen Leute, die sich um seine Interessen kümmern, und auch Freunde, die ihm als Vertraute dienen.«
Isak hob die Hand, um den Grafen zu unterbrechen, denn er war bereits überzeugt. Er wollte im Augenblick nicht so sehr über die politische Lage nachdenken. All die geheimen Pläne und Taten und Bünde waren ihm noch immer ein Rätsel. Er hatte schon Schwierigkeiten damit, sich zu erinnern, wem zu trauen war und inwieweit, ohne dass eine weitere Lage Intrigen hinzukam.
»Ihr habt recht, völlig recht. Ich lasse nach Carel schicken. Nennt ihn niemals Carelfolden. Er spart sich dies für offizielle Anlässe auf. Könnt Ihr einen Boten für mich aussenden? Er soll am besten Nachricht im Kapuze und Mantel hinterlassen – das liegt im Goldenen Stadtviertel.« Er fügte nicht hinzu: »Bevor ich meine Meinung ändere«, auch wenn ihm diese Worte auf der Zunge lagen.
Er seufzte. Carel hatte ihn wirklich zu dem gemacht, was er war. Er erinnerte sich an seinen fünfzehnten Geburtstag, als wäre es gestern gewesen. Nach einer der vielen Prügeleien mit den andern Jungen des Wagenzugs hatte ihn Carel beiseitegenommen und Isaks Gejammer mit einem Satz vertrieben: Du musst mehr sein als die Farbe deiner Augen . Diese Worte hatten sich in Isaks Herz eingebrannt, und wenn Sorge oder Wut seine Gedanken trübten, versuchte er, sich an dieses Gespräch zu klammern und so wieder zu Sinnen zu kommen … doch jetzt blieb ihm die Erinnerung an sein Verhalten im Kampf. Seine Schwächen mochten nicht offensichtlich sein, aber Isak wusste, dass er sie hatte – und überwinden musste.
Carel in den Palast zu holen war vernünftig. Das Mantra, das er immer aufgesagt hatte, wenn Isaks Gemüt seinen Verstand überflügelt hatte, war eine reine Soldatenweisheit: Du bist nicht vollkommen, das Leben ist nicht vollkommen. Es gibt wichtigere Dinge, über die man wütend sein kann, also spare deinen Zorn für die wirklichen Schwierigkeiten.
»Ich werde es sofort tun«, sagte Vesna erleichtert. »Es wird gut für Euch sein, ihn um Euch zu haben. Wenn Carel Euch in Eurem früheren Leben kannte, so wird er seine Meinung dem Mann und nicht dem Titel gegenüber äußern.«
Ist es gerade das, wovor ich Angst habe?, fragte sich Isak. Will ich, dass Carel mich ständig verbessert? Will ich mein ganzes Leben das unwissende Kind sein?
Er wandte sich wieder der
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