Sturmkaempfer
eine Liebste und hier ein Mädchen auf dem Schoß sitzen hatten. Da sie Isak nachgegeben hatte und nun einen gewöhnlichen Sattel benutzte, war Tilas Zunge spitzer als je zuvor – und in ihrer Nähe bewegten sich die Männer äußerst vorsichtig.
Carel schnaubte und wandte sich ab und Tila stürmte zur Dame Daran an einen Tisch fernab der zunehmend lauteren Soldaten.
»Ihr reist also von hier aus nach Süden, ins Grenzland, Euer Lordschaft?«, fragte der Wirt zögernd, indem er die Gesprächspause nutzte.
Isak wandte sich dem Mann zu. Für einen Augenblick flammte seine Wut auf, als er sich an die unzähligen Schenken erinnerte, aus denen man ihn während seines alten Lebens ausgeschlossen hatte. Dann gewann die Erinnerung an den Schatten die Oberhand und er verzog das Gesicht bei dem Gedanken, dass er sein Leben noch immer nicht selbst bestimmte.
Der Wirt begann zu schwitzen, während Isak ihn böse ansah, und walkte ein schmutziges Tuch immer stärker in den dicken Händen.
»Lässt du Weißaugen hier sonst rein?«
»Ich … äh, also, ’n paar vonnen Söldnern, die so herkommen, da scher ich mich nicht, ob’s Weißaugen sind. Herzog Vrerr zahlt für Männer, die jeden Befehl befolgen, und da kommt immer Abschaum – Männer, die wo ein’ umbringen, und wo so aussehen wie Ihr.«
»Also glaubst du, ich bin ehrbar genug für dein Haus?«
»Mein Lord?«, fragte Carel ernst.
Isak nagelte den verschreckten Wirt noch einen Moment lang mit dem Blick fest, dann streifte er seine schlechte Laune ab. Er nahm Carels Ermahnung zur Kenntnis und warf eine Goldmünze auf den Tresen.
»Tut mir leid. Bitte, lass das Bier stetig fließen. Wenn du Branntwein hast, genehmige dir einen, du siehst aus, als könntest du es vertragen.«
Der Mann blickte misstrauisch auf die Münze, nickte dann und ließ sie in der Tasche seiner Schürze verschwinden. »Danke,
Euer Lordschaft. Wollter auch ’ne Flasche?« Er war offenkundig noch immer nervös, aber Gold blieb Gold.
»Ja, danke, und wir reisen tatsächlich nach Süden durch das Grenzland, wenn das der Landstrich im Süden ist, den man das umstrittene Land nennt. Warum? Hast du etwas darüber gehört?«
»Ich … nun, nichts Neu’s. Aber vielleicht wollter wissen, dass die Leute da leicht zu reizen sind. Die kämpfen mit Tor Milist und Helrect, wenn einer versucht, das Land da zu erobern. Da komm’ ’ne Menge Soldaten durch, und wennse eine Uniform nicht kennen, so wie das Drachenwappen da, dann kricht man bei je’m Schritt Pfeile verpasst. Die lassen Euch vielleicht in Fried’n, wenner Eure Farben nicht so herzeigt … und wenner schön langsam und offen nach Ghorent reist. Das isses Herz vonem Grenzland und wenner der Stadt Respekt zollt, lässt man Euch vielleicht in Ruh.«
Isak nickte, murmelte einen Dank, berührte dann Carel am Arm und bedeutete ihm, dass er mit Vesna sprechen wollte. Carel nickte ebenfalls und wandte sich den Bemühungen einer Wache zu, die Dame Daran in ein Gespräch zu verwickeln. Ihre Abendunterhaltung drehte sich immer wieder um die Wette, wer die Anstandsdame zu einem obskuren Streitgespräch verleiten und es dann am längsten am Laufen halten konnte. Die Frau stritt sich gern, sobald sie ein oder zwei Glas Wein intus hatte. Bisher hatten sie die Wetten vor Tila geheim halten können.
Aus dem Augenwinkel sah Carel, dass Mihn Isak nach draußen folgte. Er lächelte. Zumindest hatte der Junge Freunde, die auf ihn achtgaben. Das war genau das, was Isak brauchte: etwas Freundschaft und Sicherheit im Leben. Aber trotzdem lag er des Nachts wach und fragte sich, wie lang es wohl währen würde. Isak würde immer ein Weißauge sein. Selbst wenn sie ihn davon abhielten, Schwierigkeiten zu machen, eines Tages würde ihn der Ärger doch finden.
Als die Dämmerung einsetzte, hing ein rosafarbener Vorhang über dem östlichen Himmel. Ein ganzes Stück des Horizonts glühte rubinrot – und im Westen, den Göttern zu, schien der Himmel düster. Die blutige Scherbe schien der Gruppe die Richtung zu weisen. Die Götter beachteten sie nicht. Hinter ihnen, im Norden, nahte eine Wolkenfront und machte sich bereit, über die Ebenen zu kommen und sie mit Schneeregen zu überziehen. Die Boote warteten am Fluss auf sie, aber Ghorent selbst war noch immer eine halbe Tagesreise über feuchte Auen entfernt. Mehr als einmal waren in den letzten Tagen Bogenschützen am Ufer des Flusses aufgetaucht und hatten ihr Vorbeiziehen beobachtet. Es gab keinen
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