Sturmkaempfer

auf den Schrein. »Würdet Ihr mir freundlicherweise helfen, ihn zur Seite zu bewegen? Für jemanden mit Eurer Kraft sollte es ein Leichtes sein. Er schwingt an der rechten Seite auf.«
    Isak musterte den Schrein misstrauisch, aber er konnte keine Magie erkennen, also nickte er und umfasste die Seiten vorsichtig. Der Schrein ließ sich wirklich beinahe mühelos drehen. Die breite Basis schwang beseite und offenbarte ein Loch im Boden. Isak spähte hinein, konnte aber nichts sehen. Der König lächelte und deutete zum Spaß eine Verbeugung an, dann ging er an dem Farlan-Lord vorbei und hockte sich neben das Loch.
    »Die Stadt macht sich Sorgen darüber, ich könnte eine ernste Hautkrankheit haben. Ich verbringe so viele Stunden im Bad, dass sie natürlich schon das Schlimmste vermuten. Mein Arzt wird gut dafür bezahlt, eine lebhafte Fantasie zu besitzen und einem halben Dutzend Kollegen alles zu verraten, was er weiß. Ich glaube, langsam macht es ihm sogar Spaß.«
    Er lächelte und sprang in die dunklen Tiefen. Der Krann drehte sich zu Mihn um, der amüsiert wirkte. Er konnte immer noch nichts sehen, aber wenn der König den Sturz so leichtfertig hingenommen hatte, durfte er ihm nicht nachstehen. Eine weitere Lektion, so schien es, bewusst oder unbewusst erteilt: Finde heraus, wie tief das Loch ist, bevor du es jemand anderem zeigst!
    Isak streckte die Hand hinein und konzentrierte sich. Mittlerweile fiel es ihm leicht. Binnen weniger Sekunden begannen seine Fingerspitzen in einem matten blauen Licht zu leuchten, das stärker wurde und sich ausbreitete, um die glatten Wände und den Boden des Tunnels vielleicht zwei Meter unter ihm zu umschmeicheln.
    Emin wartete entspannt an der Seite und hob bedeutsam eine Augenbraue über Isaks Gebrauch der Magie. »Kommt, mein Lord, die Zeit verrinnt.«

    Isak sprang hinunter, gefolgt von Mihn, und dann ließ sich auch Coran vorsichtig und bedacht hinab. Isak wunderte dies, bis er sah, dass Coran nach dem Fall des letzten Meters auf dem rechten Fuß landete. Interessant, dachte Isak. Wenn man die Heilkräfte der meisten Weißaugen bedachte, musste das Bein unlängst verletzt worden sein, oder es war eine besonders schwere Wunde gewesen.
    Der König berührte ein Seil, das entlang der Seite des gesamten Tunnels verlief, der mit Holz abgestützt worden war. Durch das Licht, das Isak noch immer abgab, war dies unnötig, aber Emin glitt dennoch mit den Fingern am Seil entlang, während er in dem leicht abschüssigen Tunnel weiterging. Hinter ihm kamen Coran und mit einem Achselzucken auch Isak und Mihn.
    Während Emin vor sich hin plapperte, schloss sich leise das Loch über ihnen.

30

    »Euer Majestät …«
    »Bitte«, unterbrach ihn der König. »Das ist in dieser Umgebung ein wenig zu formell, findet Ihr nicht? Nennt mich Emin – zumindest, wenn niemand in der Nähe ist, der über diesen Bruch der Etikette den Mund verziehen könnte.«
    »Natürlich«, sagte Isak. »Ich wollte wissen, warum Ihr die ›Herz‹-Rune verwendet.«
    Emin drehte sich um, ein seltsamer Schatten fiel auf sein Gesicht. »Für die Bruderschaft?« Er zuckte die Achseln. »Eine Laune, sonst nichts. Erzählte Euch Fedei davon?«
    Isak nickte.
    Der König schien über die Offenbarungen des Sehers nicht im Geringsten verärgert, eher neugierig. »Ich brauchte ein einfaches Zeichen, das auch sehr klein noch gut erkennbar wäre. Ich entschied mich für eine der Kernrunen, denn die sind äußerst einfach gehalten, und wählte ›Herz‹, weil es in bestimmten Zusammenhängen ›Samen‹ oder ›Kern‹ heißen kann, wie bei einem Kirschkern. Ich dachte, das passt zu Narkang: saftig und süß, aber unter der Oberfläche keineswegs verletzlich. Wenn ein Feind einen zu großen Bissen wagt, so bricht er sich die Zähne ab, das verspreche ich Euch. Das ist alles, mehr steckt nicht dahinter.« Er lachte. »Warum fragt Ihr?«

    Isak schüttelte den Kopf. »Nur so. Es erschien mir bloß seltsam.«
    »Das ist bei vielem im Leben der Fall, finde ich. Ach, da sind wir.«
    Sie waren mehrere hundert Meter weit gelaufen, und nun endete der Tunnel plötzlich vor einer Wand, in der eiserne Sprossen steckten. Isak konnte einen quadratischen Holzschacht erkennen, zwischen den höher gelegenen Planken sickerte Licht hindurch. Die Sprossen bestanden nur aus fingerdicken Stahlstangen, die man an den Enden umgebogen und in den Fels geschlagen hatte. Isak prüfte die erste vorsichtig, nachdem Emin hinaufgeklettert war. Aber sie