Sturmkaempfer
jetzt noch nicht betrunken war, war entweder auf dem besten Wege dorthin oder hatte sich, durchaus wahrscheinlich, bereits totgesoffen. Als Legana einige Stunden zuvor durch die Straßen der Stadt gegangen war, eilig durch das Zwielicht huschend, um das Gasthaus vor der Dunkelheit zu erreichen, hatte sie Beispiele für all dies gesehen. Sogar für eine Frau mit ihren Fähigkeiten waren Helrects Straßen bei Nacht ohnehin ein gefährlicher Ort. Durch den allgegenwärtigen Suff wurde es jedoch noch schlimmer.
Sie blickte an ihren Trinkkumpanen vorbei zu den Feuern, die das Ende des Sichtbaren markierten. Um ihre Sicherheit brauchte
sie sich keine Sorgen zu machen, nicht hier mitten in einer Kompanie von Chetse-Söldnern, deren Kommandant sie sehr mochte. Aber der Instinkt, ihre Umgebung ständig im Auge zu behalten, war zu stark, um unterdrückt zu werden. Sie bedauerte die Bewegung schon jetzt. Es war ziemlich schwierig, scharf zu sehen. Und als sie es endlich schaffte, sah sie nicht mehr als das baufällige Helrect.
»O, ihr Götter, ich hasse diese Stadt«, murmelte Legana und hob ihren Becher erneut. Der Mann neben ihr schnaubte vergnügt und klopfte ihr auf die Schulter. Es fühlte sich an wie ein Schlag mit einem Schinken.
»Hah, du bist betrunken, Weib! Du wirst immer traurig, wenn du betrunken bist.« Destech, der Lieutenant des Kommandanten, betrachtete Legana aus einem Grund als Freundin, den nur ein Chetse-Soldat verstehen konnte. Er legte den Kopf auf die Seite und schaute sie eindringlich an. »Du bist auch nicht so hübsch, wenn du betrunken bist. Was doch seltsam ist, denn ich bin ja auch betrunken und würde es mit den meisten Frauen treiben, wenn ich ein paar Kelche gekippt habe.«
»Nimm deine verdammte Hand weg, oder ich breche dir die Nase so oft, bis sie wieder so gerade ist wie früher«, knurrte Legana. »Auch betrunken siehst du immer noch wie der Hintern eines Schweins aus.« Sie warf das kupferfarbene Haar aus dem Gesicht, um Destech in die Augen zu sehen. Kichernd zog er seine Hand zurück.
Das gefärbte Haar der Farlanspionin schimmerte irritierend im Feuerlicht, eine Erinnerung daran, dass sie eine Ergebene der Dame war. Einige der Anhänger der Dame waren sanfte Leute, die ihr Leben damit verbrachten, wohltätige Dienste zu verrichten, aber Schicksal war keine Göttin der Reichen. Ihre Tempelgemeinschaften waren selbstversorgend und verließen sich noch auf die Nachlasse sterbender Aristokraten. Die Fähigkeiten, die
in den Tempeln vermittelt wurden, waren in der äußeren Welt vielseitig verwendbar, und Haushofmeister Lesarl war einer der Männer, die mit Freuden jede dieser Fähigkeiten nutzten.
Destech war ein Soldat, ein erfahrener Veteran, und er wusste sehr gut, wie weit er es treiben konnte und wann er sich zurücknehmen musste.
»Ach, meine Liebe, die Stadt ist nicht so übel«, steuerte der Mann auf Leganas anderer Seite bei. Er war von mittlerem Alter und kräftig gebaut, selbst für einen Chetse-Soldaten. Sein griesgrämiger Gesichtsausdruck strafte seine Worte lügen. Kommandant Tochet war einst einer der höchsten Generäle der Chetse-Armee gewesen; Kommandant der östlichen Tunnel, dem verrufensten Schlachtfeld ihres ewigen Krieges mit den Siblis. Sein Abstieg hatte ihn von einem Scharmützel zum nächsten getragen, und nun reiste er nach Raland, um Herzog Nemarses Leibwächter zu werden.
Legana lachte. »Das sagst du nur, weil du dich an den Gedanken gewöhnen willst, in Raland zu leben. Ich komme gerade von dort her: Es ist sogar ein noch größeres Drecksloch als dieser Misthaufen hier.«
»Das sagst du«, antwortete Tochet, »aber du verrätst uns nicht, was du dort getan hast, und das interessiert mich doch wesentlich mehr.«
Legana rutschte auf ihrem Stuhl herum. »Eines der kleinen Vorhaben des Haushofmeisters, mehr nicht – nichts, was dich betrifft.« Tochet war ihr Freund, aber sie konnte ihm nicht verraten, warum sie dort gewesen war. Der Mann, den sie hatte finden sollen, war in einer Kneipenschlägerei gestorben, die vermutlich von Herzog Nemarse arrangiert worden war, und sie ahnte nun, was Lesarls nächster Zug war. Sie wollte nicht, dass ihr Freund den Herzog beschützte, wenn dies geschah. »Warum kommst du stattdessen nicht mit mir?«
Tochet lächelte und legte seine Hand auf die ihre. »Du meinst all diese Jahre des Werbens haben endlich gewirkt?«
»Ha, falls du in all den Jahren nicht etwas vor deinen Männern verborgen hast, dann nicht.«
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