Sturmkaempfer
verbrannten Fleisches machte ihm am meisten Angst.
Er setzte sich auf und nahm den Kupferspiegel vom Tisch, um sich darin zu betrachten. Aber er musste die Augen zusammenkneifen, um sie zu entdecken: eine runenförmige, stechende Narbe auf seinem Brustbein. Er kannte die Rune nicht – hatte es auch nicht erwartet. Doch sie stammte nicht einmal aus seinen Träumen von dem Inselpalast.
Im Spiegel konnte er sie besser erkennen: Ein Narbenkreis mit einem Querbalken durch die Mitte, nicht größer als fünf Zentimeter. Der Balken reichte nicht bis zum Rand des Kreises. Diese Verbindung wurde von zwei senkrechten Balken hergestellt, von denen einer nach oben und der andere nach unten führte.
Seine Gedanken wurden mit einem Mal vom Geruch der Magie unterbrochen, der aus dem Kamin in der Mitte des Raumes aufstieg – Lord Bahl. Er ergriff sein abgerissenes Hemd und zog es schnell an, stellte sicher, dass die Knochenknöpfe geschlossen waren und die Narbe bedeckt wurde. Als Lord Bahl erschien, war die Narbe versteckt, aber Isak konnte den erschöpften Gesichtsausdruck nicht verbergen.
»Du hast schlecht geschlafen. Schlecht geträumt.«
Es war nicht als Frage gedacht gewesen. Isak blickte unverständig zu seinem neuen Herrn auf. Während er sich mühsam auf die Beine kämpfte und sich an die Wand lehnte, bemerkte er, dass er unkontrolliert zitterte.
Auch Bahl spürte die Kälte, warf einige Scheite auf das erloschene Feuer und ließ das Handgelenk dann eine ruckende Bewegung
vollführen. Sofort loderten Flammen im Kamin hoch und machten sich hungrig über das trockene Holz her. Isak starrte das Feuer verwundert an, aber Bahl machte nur eine wegwerfende Handbewegung und zog sich einen Stuhl heran.
»Das ist nichts. Es wundert mich, dass du dies nicht längst selbst beherrschst, wenn man bedenkt, wie der Turm auf dich reagiert hat. Aber das kann warten. Jetzt sollten wir erst einmal darüber sprechen, was du bist.«
Isak suchte in seinem – vom Traum noch immer dumpfen – Kopf nach einer Antwort. »Was ich bin?«, murmelte er. »Was gibt es da noch? Carel sagte, Weißaugen würden als Krieger geboren werden, um für den Stamm zu kämpfen.«
»Carel?«
Isak öffnete den Mund zu einer Antwort, bemerkte dann aber, dass Bahls Gesicht unverhüllt war und verstummte. Der zurückgezogene Lord der Farlan ging nur selten ohne die blaue Seidenmaske vor seinem Gesicht in die Öffentlichkeit, und Isak hatte Lord Bahls Gesichtszüge noch nie gesehen. Er fragte sich, warum er so lang gebraucht hatte, um dies zu bemerken, aber nach einem Augenblick schüttelte er diese Frage ab … in Anbetracht der Dinge, die ihm passiert waren, konnte man eine solche Einzelheit leicht übersehen. Jetzt sah er einen kräftigen Mann vor sich, mit einem rauen Gesicht, harten Zügen mit tiefen Falten und abgerundeten Kanten. Seine Stirn und Nase waren vorspringend und stark, aber seine Züge machten einen unfertigen Eindruck, als wäre ein Handwerker bei seiner Arbeit daran unterbrochen worden. Die Form war zwar vorhanden, die grundlegenden Linien von kundiger Hand gesetzt, aber dann war wohl keine Zeit geblieben, die Kanten zu schleifen.
Das erinnerte Isak an den Palast in seinen Träumen und die unfertigen Statuen darin. Doch bevor ihn dies noch weiter ablenken
konnte, schob er die Erinnerung beiseite. Dieses Gesicht gehörte keinem geduldigen Mann.
»Carel ist mein Freund, ein Freund meines Vaters. Er gehörte der Palastgarde an, bevor er sich dem Wagenzug anschloss. Sergeant Betyn Carelfolden, Dritte Einheit, Vorhut, achtes Regiment. Er war der Einzige, dem es gleich schien, ob ich ein Weißauge war oder nicht. Er lehrte mich kämpfen, damit ich herkommen und die Aufnahmeprüfungen der Wache ablegen kann.«
»Der Sergeant einer Einheit, das sind gute Neuigkeiten. Er wird dich die richtigen Gewohnheiten gelehrt haben, also muss ich mir Kerins Gejammer nicht anhören, weil er dir erst beibringen muss, welches das gute Ende eines Schwertes ist. Aber das wird jetzt nicht mehr reichen. Wenn du mich überlebst, wirst du eines Tages Lord der Farlan sein. Bedenke vor allem anderen, dass nichts von dem, was Sergeant Carelfolden – oder was irgendwer – dich lehrte, dich auf das Leben vorbereiten kann, das du nun führen wirst. Es gibt Gefahren, bei denen all deine Stärke und all dein Können dir nichts nützen. Du bist nicht mehr als ein Kind unter Wölfen, von den Göttern gesegnet, auf dass dich das ganze Land verabscheut und beneidet.
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