Sturmkaempfer
herausliefe. Er ließ meine Frau und meine Kinder töten, meine Vettern …« Tochets Stimme verlor sich und die Männer am Tisch verstummten. Legana sah Wut in ihren Gesichtern, nicht Trauer, und Mordlust in ihren Augen. »Das kann man nicht rückgängig machen. Es gibt kein Verzeihen. Und ich gehe jetzt ins Bett. Der Abend hat seinen Reiz verloren und wir marschieren morgen los.«
Tochet stand auf und schaute über die Tische der Chetse-Soldaten. Seine Männer waren nicht aufgestanden, als er sich erhob, um zu gehen, aber sie beobachteten jede seiner Bewegungen mit ernsten Augen. Er nahm einen Lederbeutel vom Gürtel und warf ihn mit einem schweren Klirren auf den Tisch.
»Hier. Ihr alle habt schon auf meine Jungen getrunken, und ihr sollt es heute Nacht erneut tun! Stellt nur sicher, dass ihr morgen früh laufen könnt.«
Er berührte Legana zum Abschied am Arm und ging zur Tür der Schenke. Wenig später hatte sie ihn eingeholt und hakte sich bei ihm ein. Sie wusste, dass sie den Schmerz in seinen Augen nicht lindern konnte. Aber als Freundin musste sie es versuchen.
6
Die Dunkelheit wich langsam bleiernen grauen Schatten und einer schleichenden Kälte, die Isaks Blut die Wärme entzog. Allein im Nichts wurde sein Körper taub und verging, bis er ihn kaum noch spürte.
Dann kam der Schmerz; ein eisiges Unwohlsein, das sich in eine gierig leckende Flamme verwandelte. Die grauen Nebel verdichteten sich und pressten ihn auf den Boden, drangen so in Augen und Mund ein, dass er in der Stille würgen musste. Er versuchte sich zu befreien, sich den Weg freizukämpfen, aber die Kälte hatte ihm die Stärke entzogen und der Druck kam von allen Seiten. Er konnte nirgendwohin entkommen und bald überließ er sich hilflos der Erschöpfung, ergab sich dem Sog der eisigen Tiefen, der ihn weiter hinab bis zu einem Ort ohne Licht und Erinnerungen zog. Hier gab es nur noch den kalten Trost des Grabes.
Und eine Stimme.
»Isak.
Hebe deinen Kopf, Isak.
Hebe deinen Kopf und sieh mich an.«
Er hatte nicht genug Kraft, um zu gehorchen, aber irgendwie schaffte er es doch, den Kopf zu heben. Er sah zwar nichts, doch eine Gestalt zeichnete sich in seinem Geist ab: ein Mann, groß und kräftig, erschreckend und dabei doch beinahe ohne Gesichtszüge,
mit leeren Augen, glatter, mitternachtsblauer Haut und lediglich der Andeutung eines Mundes. Nur der verzierte Bogen an der Seite des Mannes wies Einzelheiten auf. Die pechschwarze Form war mit Gold und Silber verziert und mit Spiralen aus Edelsteinen besetzt.
»Ich bin jetzt dein Meister. Du bist die Klinge, die ich führe; der Pfeil, den ich weit in die Nacht schieße. Du bist mein Erwählter, bist Teil meiner Erhabenheit – und das Land wird in deinen Taten den Widerhall meines Ruhms erkennen.«
Isak versuchte vor der Stimme zu fliehen, sich vor den Worten zu verstecken, die durch seinen Kopf donnerten. Er konnte jetzt andere in seiner Nähe spüren, die leichte Berührung ihrer Bewegungen und das melodiöse Echo ihrer Stimmen. Aber die Gestalt wischte sie alle beiseite – bis auf eine einzige, die sanfteste Berührung von allen, eine, die beinahe unspürbar gewesen war, bevor die anderen verschwanden. Und nun war es ein Faden aus reinem Licht, vor dem dunklen Hintergrund deutlich zu sehen und unantastbar für die spürbare Wut der Gestalt.
Es begann sich zu bewegen, streichelte seine Hüfte und glitt über den Bauch und bis zu seinem Herz. Isak entspannte sich unter der beruhigenden Berührung und krümmte sich dann zusammen, als der Gestank verbrannten Fleisches in seine Nase stieg. Schmerz erwachte in seiner Brust, wanderte dann aber so tief, dass das Licht aus seinem Körper strahlte und sich einen Weg durch die Dunkelheit brannte. Einen Herzschlag später war es vergangen und nur eine sanfte Stimme blieb zurück: ein Mädchen, das seinen Namen rief, aber so weit entfernt war, dass sich ihr Ruf im Wind verlor.
Isak erwachte mit einem Schrei und hatte den Eindruck, die Wände um ihn herum würden erzittern und wanken, bis er in der Wirklichkeit angekommen war. Er atmete tief ein und versuchte
die Augen zu öffnen, doch das strahlende Licht, das durch das Fenster fiel, ließ ihn aufstöhnen. Isak umklammerte das ungewohnte Laken und versuchte, zu sich zu kommen. Ein Schauder zog über seinen Rücken und bis in die Beine hinein. Es fühlte sich an, als kehre seine Seele zurück. Ihm tat alles weh, die Kehle brannte und die Glieder pochten, aber der Geruch
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