Sturmkaempfer
Du hast jetzt keine Freunde mehr, kannst niemandem deine innersten Gedanken anvertrauen. In den kommenden Monaten wirst du erkennen, dass du jetzt ganz anders bist als alle anderen, und dass du zwar zwischen Sterblichen und Göttern stehst, aber von keiner der beiden Arten bist.«
Isak, der dem Ganzen nur mit Schwierigkeiten folgen konnte, unterbrach ihn mit der Frage: »Aber Ihr hattet doch einst jemanden. Konntet Ihr ihr denn nicht vollständig vertrauen?«
Bahl stand einige Augenblicke lang stumm da, dann zeigte ein tiefer Atemzug an, dass die Selbstbeherrschung den Sieg errungen hatte. Als wäre nichts geschehen antwortete er: »Ihr konnte ich vertrauen, ja. Sie war die einzige Person, der ich vollständig
vertrauen konnte , und genau darum wurde sie auch als Waffe gegen mich verwendet. Erwähne sie nie wieder, wenn du böses Blut zwischen uns vermeiden willst.«
Bahl machte erneut eine Pause, um auf Isaks zitternde Hände zu weisen. »Ich weiß, dass du erschöpft bist. Ich will dir auch erklären, warum. Du hast in deinem Traum mit Nartis gesprochen. Nun, da du einer der Erwählten bist, gehörst du ihm – ob du es willst oder nicht. Weißaugen wurden erschaffen, um das Ende des Dunklen Zeitalters anzuzeigen; um zu zeigen, dass die Götter wieder mit uns sind. Wir werden geboren, um zu herrschen und die Armeen der sieben menschlichen Völker anzuführen. Indem die Götter einen der Unsrigen zum Anführer erkoren, durchbrachen sie Dynastien und die Traditionen des Bluterbes und Geburtsrechts, die zum Großen Krieg führten. Ich weiß, dass diese Träume nur schwer zu ertragen sind, aber durch sie wird Nartis dir die Stärke schenken, die du zum Überleben brauchst. Du wirst so groß werden wie ich, wirst Schmerzen ertragen können, die jeden gewöhnlichen Mann töten würden, und wirst danach immer noch die Kraft haben zurückzuschlagen. Der Sturm wird in deinen Adern toben …«
»Was hat es mit dem Lichtfaden auf sich?«, unterbrach Isak ihn erneut.
Bahl runzelte die Stirn und lehnte sich zu Isak herunter, um ihm in die Augen zu sehen, ein hypnotisierendes, unnachgiebiges Starren, wie eine Schlange, die einen Hasen ansah. »Ich weiß nichts über einen Lichtfaden. Du hättest mit Nartis allein sein und ein Teil von ihm werden sollen.«
Isak schüttelte den Kopf. »Nein, wir waren nicht allein. Ich spürte andere um uns, andere Geister. Es gab Geflüster, das ich nicht verstand, und dann verscheuchte Nartis sie.«
»Das ist alles, was sie ausmacht«, sagte Bahl ernst.
Isak blinzelte. »Was?«
»Die flüsternden Stimmen sind nur das: Stimmen. Geister, die sich an einigen Erinnerungen festhalten. Sie werden vom Leben, von Stärke, von Magie angezogen. Sie sind lediglich Ablenkungen. Du wirst bald gelernt haben, sie nicht mehr zu beachten. Mit dem Licht ist es das Gleiche: Eine andere Wesenheit – vielleicht stärker, aber nicht das, wofür du geboren wurdest. Bleibe deiner Natur und deinem Gott treu.«
Diesmal nickte Isak. Carel hatte ihn an vielen Abenden mit mythologischen Geschichten unterhalten. Das Pantheon der Götter des Landes lag ständig im Streit miteinander. Larat, der Gott der Magie und Einflussnahme, war im Besonderen bekannt dafür, dass er anderen Göttern die Anhänger stahl, um aus ergebenen Dienern verabscheute Verräter zu machen. Der Schmerz, den Isak während des Traumes verspürt hatte, musste ein Vorgeschmack der Strafe für Verrat gewesen sein. Und in dem Fall war er sogar sicher, dass er ihn niemals zur Gänze bezahlen wollte. »Kann es ein anderer Gott, Larat zum Beispiel, gewesen sein? Der versucht hat, Zwietracht zu stiften?«, fragte er.
»Das ist möglich – Larat lebt für die Unruhe«, sagte Bahl, doch er schien nicht daran interessiert, Isaks Theorie weiter zu verfolgen. »Aber denke nicht zu lange darüber nach, bleibe einfach dem treu, was du bist. Nur Tod ist stärker als unser Patron Nartis. Kein anderer Gott kann dir mehr bieten, als Nartis dir versprach, indem er dich zu meinem Krann machte.«
Isak nickte und schaute nach unten, als der Schmerz in seiner Brust seine Gedanken unterbrach. Er hob instinktiv die Hand, um die wunde Stelle zu berühren, aber dann zwang er sie wieder hinunter, denn er wollte Bahl nicht darauf aufmerksam machen. Er wusste nicht genau warum, doch er wollte die Narbe jetzt noch niemandem zeigen.
»Vergiss nun das Ganze«, sagte Bahl, der die Geste als Nervosität deutete. »Wir können noch einmal darüber sprechen,
wenn es dir
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