Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
Soldaten getragen werden. Sie schien mitten in der Bewegung erstarrt, hatte den Kopf zurückgeworfen und den Arm erhoben.
Sie hielt ein tiefschwarzes Schwert in der Hand, das den roten Himmel um sie herum dunkler färbte.
» Die Schlacht beim Wasserfall des Zwielichts«, sagte Llarimar leise, der neben ihm in dem weißen Korridor stand. » Der letzte Kampf der Vielkriege.«
Lichtsang nickte. Irgendwie hatte er das gewusst. Die Gesichter vieler Soldaten waren grau getönt. Es waren Leblose. Sie waren in den Vielkriegen zum ersten Mal in großer Zahl auf dem Schlachtfeld eingesetzt worden.
» Ich weiß, dass Ihr keine Schlachtenszenen mögt«, sagte Llarimar, » aber…«
» Es gefällt mir«, sagte Lichtsang und unterbrach damit den Priester. » Es gefällt mir sogar sehr.«
Llarimar erwiderte nichts darauf.
Lichtsang starrte auf die fließenden Rottöne des Bildes, das so geschickt ausgeführt war, dass es nicht nur ein Abbild, sondern das Gefühl des Krieges vermittelte. » Es könnte das beste Gemälde sein, das je meinen Korridor durchlaufen hat.«
Die Priester auf der anderen Seite schrieben eifrig mit. Llarimar hingegen sah ihn nur bestürzt an.
» Was ist los?«, fragte Lichtsang.
» Nichts«, antwortete Llarimar.
» Huscher…«, mahnte Lichtsang und sah ihn eingehend an.
Der Priester seufzte. » Ich darf nicht darüber reden, Euer Gnaden. Ich darf Euren Eindruck von den Bildern nicht beeinflussen.«
» In der letzten Zeit haben sich viele Götter positiv über Kriegsgemälde geäußert, nicht wahr?«, fragte Lichtsang und betrachtete wieder das Bild.
Llarimar antwortete nichts darauf.
» Vermutlich hat es gar nichts zu bedeuten«, meinte Lichtsang. » Ich vermute, das ist nur unsere Reaktion auf das Streitgespräch in der Arena.«
» Das wäre möglich«, sagte Llarimar.
Lichtsang verstummte. Er wusste, dass er für Llarimar nicht bloß seine Meinung zu einem Bild abgab– er sagte die Zukunft voraus. Was bedeutete es also, dass er ein Gemälde mochte, das in so leuchtenden, gewalttätigen Farben den Krieg darstellte? War das eine Reaktion auf seine Träume? Aber in der letzten Nacht hatte er nicht vom Krieg geträumt. Endlich. Er hatte von einem Sturm geträumt, zugegeben, aber das war nicht das Gleiche.
Ich hätte nichts sagen sollen, dachte er. Aber die Reaktion auf die Kunstwerke war für ihn das einzig wirklich Wichtige in seiner Existenz.
Er betrachtete die Farbschlieren. Jede Gestalt war nur durch wenige Pinselstriche dargestellt. Es war schön. Konnte Krieg schön sein? Wie konnte er in diesen grauen Gesichtern, die sich dem Leben entgegenstemmten, Schönheit entdecken? Was war schön daran, dass Leblose Lebende töteten? Diese Schlacht war nicht einmal bedeutsam gewesen. Sie hatte den Ausgang des Krieges nicht beeinflusst, auch wenn der Anführer der Vereinigung von Pahn– das waren die Königreiche gewesen, die sich gegen Hallandren verbündet hatten– in diesem Gemetzel getötet worden war. Nicht Blutvergießen, sondern Diplomatie hatte schließlich die Vielkriege beendet.
Wollen wir so etwas wirklich wieder anfangen?, dachte Lichtsang, der von der Schönheit des Bildes noch immer bezaubert war. Wird das, was ich tue, zum Krieg führen?
Nein, dachte er. Nein, ich bin bloß vorsichtig. Ich helfe Schamweberin dabei, eine politische Gruppierung zu stärken. Das ist besser, als die Dinge einfach laufen zu lassen. Die Vielkriege wurden begonnen, weil die königliche Familie nicht vorsichtig genug war.
Das Gemälde nahm ihn noch immer gefangen. » Was ist das für ein Schwert?«, fragte Lichtsang.
» Schwert?«
» Das schwarze«, erklärte Lichtsang. » Das in der Hand der Frau.«
» Ich… ich sehe kein Schwert, Euer Gnaden«, sagte Llarimar. » Um die Wahrheit zu sagen, sehe ich auch keine Frau. Für mich sind das alles nur wilde Pinselstriche.«
» Du hast es Die Schlacht beim Wasserfall des Zwielichts genannt.«
» Das ist der Titel des Kunstwerks, Euer Gnaden«, sagte Llarimar. » Ich nahm an, dass es Euch genauso verwirrt wie mich, und deswegen habe ich Euch den Titel genannt, den der Künstler ihm gegeben hat.«
Die beiden schwiegen für eine Weile. Schließlich drehte sich Lichtsang um und ging von dem Bild fort. » Ich bin für heute mit meinen Kritiken fertig.« Er zögerte. » Verbrennt das Bild nicht. Ich will es für meine Sammlung behalten.«
Llarimar bestätigte diesen Befehl mit einem Nicken. Während Lichtsang den Palast verließ, versuchte er, seinen
Weitere Kostenlose Bücher