Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
können. Siri verfluchte sich dafür, dass sie in den Unterrichtsstunden, die den Vertrag zum Gegenstand hatten, so unaufmerksam gewesen war. Sie wusste nicht genau, was darin stand. Vielleicht war die Gefahr darin sogar erwähnt.
Sie brauchte mehr Informationen. Doch leider waren die Priester ihr nicht behilflich; die Dienerschaft schwieg, und Blaufinger… nun ja…
Sie erspähte ihn, wie er durch eines der Zimmer huschte und dabei etwas in sein Buch schrieb. Mit raschelnder Schleppe lief Siri auf ihn zu. Er drehte sich um. Als er sie bemerkte, riss er die Augen weit auf, wurde noch schneller und schoss durch eine offen stehende Tür in ein anderes Zimmer. Siri rief ihm etwas zu und bewegte sich so schnell, wie es ihr in diesem Kleid möglich war, doch als sie das Zimmer erreicht hatte, war es leer.
» Heilige Farben!«, flucht sie und spürte, wie ihr Haar vor Verärgerung dunkelrot wurde. » Glaubt ihr immer noch nicht, dass er mir aus dem Weg geht?«, fragte sie, während sie sich ihrer ältesten Dienerin zuwandte.
Die Frau senkte den Blick. » Es wäre unschicklich für einen Diener des Palastes, seiner Königin auszuweichen, Gefäß. Bestimmt hat er Euch nicht gesehen.«
Richtig, dachte Siri, wie immer. Wenn sie nach ihm schickte, traf er regelmäßig erst dann ein, nachdem sie es bereits aufgegeben hatte und weggegangen war. Wenn sie ihm einen Brief schreiben ließ, antwortete er darauf so unbestimmt, dass es sie nur noch mehr frustrierte.
Sie durfte keine Bücher aus der Palastbibliothek entleihen, und die Priester lenkten sie immer wieder ab und störten sie, wenn sie versuchte, im Bibliothekssaal zu lesen. Sie hatte Bücher aus der Stadt bestellt, aber die Priester beharrten darauf, dass sie ihr von einem Priester gebracht und vorgelesen wurden, damit Siri » ihre Augen nicht so sehr anstrengen« musste. Sie war sich sicher, dass der Vorleser jede missliebige Stelle einfach übersprang.
Sie hing so sehr von den Priestern und Schreibern ab und bekam nichts ohne sie– auch keine Informationen.
Außer …dachte sie, während sie in dem hellroten Raum stand. Es gab noch eine andere Informationsquelle. Sie wandte sich an ihre Hauptdienerin. » Was wird heute am Hof dargeboten?«
» Vieles, Gefäß«, sagte die Frau. » Es sind einige Künstler hergekommen und arbeiten hier an Gemälden und Zeichnungen. Überdies gibt es einige Tierdompteure, die exotische Geschöpfe aus dem Süden zeigen; ich glaube, es sind auch Elefanten und Zebras dabei. Außerdem präsentieren einige Farbenhändler ihre neusten Kombinationen. Und dann natürlich die Sänger.«
» Was findet in dem Gebäude statt, zu dem wir vorhin gegangen sind?«
» In der Arena, Gefäß? Ich glaube, später am Abend werden dort Wettkämpfe gegeben. Beispiele körperlicher Fähigkeiten.«
Siri nickte. » Bereitet eine Loge für mich vor. Ich will zusehen.«
In ihrer Heimat hatte Siri manchmal Wettläufe beobachtet. Sie wurden für gewöhnlich spontan abgehalten, denn die Mönche billigten es nicht, wenn sich die Menschen hervorzutun versuchten. Austre gab allen Menschen eine bestimmte Gabe. Damit zu protzen, wurde als anmaßend betrachtet.
Aber Jungen waren nicht so einfach zu beherrschen. Siri hatte sie rennen sehen, hatte sie sogar dazu ermuntert. Doch diese Wettläufe waren nichts im Vergleich zu dem, was die hallandrischen Männer hier zeigten.
Ein halbes Dutzend Disziplinen wurde gleichzeitig ausgeübt. Einige Männer schleuderten große Steine und maßen sich im Weitwurf. Andere rannten in einem weiten Kreis um die Arena herum, wirbelten dabei Sand auf und schwitzten heftig in der feuchten hallandrischen Hitze. Andere warfen Speere, schossen mit Bögen oder sprangen um die Wette.
Während sie zusah, wurde sie rot bis in die Haarspitzen. Die Männer trugen nur Lendenschurze. Während der ganzen Wochen in der großen Stadt hatte sie noch nie etwas so… Interessantes gesehen.
Eine Dame sollte keine jungen Männer anstarren, hatte ihre Mutter ihr beigebracht. Das ist unschicklich.
Doch was war der Sinn dieser Veranstaltung, wenn sie nicht hinsah? Siri konnte nicht anders– nicht nur wegen der nackten Haut. Diese Männer hatten ausgiebig trainiert und beherrschten ihre körperlichen Fähigkeiten in wundersamer Weise. Siri bemerkte, dass den Gewinnern der einzelnen Disziplinen nur wenig Beachtung geschenkt wurde. Es ging nicht um den Sieg, sondern um das Geschick der Teilnehmer.
In dieser Hinsicht befanden sich die Wettbewerbe beinahe
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