Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
Warum nicht? Warum konnte Lichtsang jonglieren und wusste um die Bedeutung des Begriffs » Bugspriet«, war aber gleichzeitig nicht in der Lage, sich an seine Eltern zu erinnern? Und was war das für ein Gesicht, das er in seinen Träumen sah? Warum hatten in letzter Zeit Sturm, Blitz und Donner seine Träume beherrscht? Was war das für ein roter Panther, der in der vergangenen Nacht schon wieder in seinen Alpträumen aufgetaucht war?
» Schamweberin, genug!«, sagte Hoffnungsfinder und hob die Hand. » Bevor wir weiterreden, muss ich betonen, dass deine offensichtlichen Versuche, mich zu verführen, dir nichts einbringen werden.«
Schamweberin wandte den Blick ab und wirkte verlegen.
Lichtsang riss sich aus seinen Gedanken los. » Mein lieber Hoffnungsfinder«, sagte er, » sie hat nicht versucht, dich zu verführen. Du musst das verstehen: Schamweberins Aura der Verlockung ist ganz einfach ein Teil von ihr und macht sie so bezaubernd.«
» Wie dem auch sei«, entgegnete Hoffnungsfinder, » ich werde mich nicht von ihrem Verfolgungswahn anstecken lassen.«
» Meine Kontaktpersonen sind nicht der Ansicht, dass es sich hierbei um Verfolgungswahn handelt«, meinte Schamweberin, während die Früchte abgetragen wurden. Als Nächstes kam ein kleines geeistes Fischfilet.
» Deine › Kontaktpersonen‹?«, fragte Hoffnungssucher. » Wer sind eigentlich diese › Kontaktpersonen‹, die du andauernd erwähnst?«
» Leute aus dem Palast des Gottkönigs.«
» Wir alle haben unsere Leute im Palast des Gottkönigs«, sagte Hoffnungsfinder.
» Ich nicht«, meinte Lichtsang. » Kann ich einen von euren haben?«
Schamweberin rollte mit den Augen. » Meine Kontaktpersonen sind ziemlich wichtig. Sie hören viel und wissen viel. Es wird Krieg geben.«
» Ich glaube dir nicht«, meinte Hoffnungsfinder und stocherte in seinem Essen herum, » aber das ist jetzt nicht von Bedeutung, oder? Du bist nicht hier, weil du mich dazu bringen willst, dir zu glauben. Du willst nur meine Armee haben.«
» Deine Losungsworte«, sagte Schamweberin. » Die Sicherheitslosungen für die Leblosen. Was wird es mich kosten, sie zu bekommen?«
Hoffnungsfinder stocherte weiter in seinem Essen herum. » Weißt du, Schamweberin, warum ich meine Existenz als so langweilig empfinde?«
Sie schüttelte den Kopf. » Ehrlich gesagt glaube ich, dass du mir in dieser Hinsicht etwas vorspielst.«
» Nein«, wandte er ein. » Elf Jahre. Elf Jahre Frieden. Elf Jahre, um das Regierungssystem, das wir haben, aus tiefstem Herzen zu verabscheuen. Wir alle gehen zu den Ratsversammlungen. Wir alle hören den Reden zu. Aber den meisten von uns ist das alles gleichgültig. Bei jeder Abstimmung haben nur diejenigen etwas zu sagen, die sich in der jeweiligen Angelegenheit auskennen. Lediglich während der Kriegszeiten sind wir, die wir Leblosenkommandos besitzen, wirklich wichtig. Ansonsten zählt unsere Meinung so gut wie nicht.
Du willst meine Leblosen haben? Bitte sehr! Ich hatte elf Jahre lang keine Möglichkeit, sie einzusetzen, und ich wage zu behaupten, dass auch die nächsten elf Jahre ohne Zwischenfall vergehen werden. Ich werde dir die Kommandos geben, Schamweberin– aber nur im Austausch gegen deine Stimme. Du sitzt im Rat gegen soziale Ungerechtigkeiten. Fast jede Woche ist deine Stimme wichtig. Als Gegenleistung für meine Sicherheitslosungen musst du mir versprechen, in sozialen Angelegenheiten so abzustimmen, wie ich es will, von jetzt an bis zu dem Tag, an dem einer von uns stirbt.«
Es wurde still im Pavillon.
» Ah, jetzt denkst du nach«, sagte Hoffnungsfinder lächelnd. » Ich habe gehört, dass du dich über deine Pflichten am Hof beschwerst– dass du deine Arbeit als unwichtig empfindest. Aber es fällt dir nicht ganz so leicht, deinen Einfluss aufzugeben, nicht wahr? Und deine Stimme stellt den ganzen Einfluss dar, den du besitzt. Er ist nicht gewaltig, aber durchaus stark. Er…«
» Abgemacht«, sagte Schamweberin scharf.
Hoffnungsfinder schwieg.
» Meine Stimme gehört dir«, sagte Schamweberin und sah ihm in die Augen. » Deine Bedingungen sind annehmbar. Ich schwöre vor deinen und meinen Priestern und sogar vor einem weiteren Gott.«
Bei allen Farben, dachte Lichtsang. Sie meint es wirklich ernst. Ein Teil von ihm hatte die ganze Zeit hindurch angenommen, dass ihr Gerede über den Krieg nur ein weiteres Spiel von ihr war. Doch die Frau, die Hoffnungsfinder nun tief in die Augen sah, spielte nicht. Sie meinte es ernst, wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher