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Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker

Titel: Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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er sich eher auf die Kleidung als auf die Menschen bezog.
    Sie wollte das Erwecken lernen. Warum? Was sagte das über sie aus? Dass sie bereit war, ein Werkzeug zu gebrauchen, das ihre eigene Religion verwarf, nur weil es sie mächtig machte?
    Nein, das war es nicht. Zumindest hoffte sie, dass das nicht der Grund dafür war.
    Wenn sie auf ihr Leben in der letzten Zeit zurückblickte, quälte sie ihre andauernde Hilflosigkeit. Und das fühlte sich wirklich wie ein Teil von ihr an. Sie war eine Frau, die alles tun wollte, nur um nicht hilflos zu sein. Deshalb hatte sie mit ihren Lehrern in Idris so hart gearbeitet. Deshalb wollte sie das Erwecken lernen. Sie wollte so viele Informationen wie möglich haben, und sie wollte auf die Schwierigkeiten vorbereitet sein, die noch vor ihr liegen mochten.
    Sie wollte tüchtig sein. Das war vielleicht anmaßend, aber es war die Wahrheit. Sie wollte alles lernen, damit sie in der Welt überleben konnte. Der erniedrigendste Aspekt ihrer Zeit in T’Telir war ihre Unwissenheit. Diesen Fehler wollte sie nicht wieder begehen.
    Zeit zu üben, dachte sie und kehrte in das Zimmer zurück. Dort holte sie ein Stück Seil hervor– mit ihm hatte Vascher sie einmal gefesselt, und es war der erste Gegenstand gewesen, den sie je erweckt hatte. Inzwischen hatte sie den Hauch daraus zurückgeholt.
    Sie ging nach draußen, hielt das Seil zwischen ihren Fingern, drehte es hin und her und dachte nach. Die Kommandos, die Denth mir beigebracht hat, waren einfache Sätze. Halte fest. Beschütze mich. Er hatte angedeutet, dass die Absicht wichtig war. Als sie ihre Fesseln erweckt hatte, hatten sie sich wie ein Teil ihres Körpers bewegt. Es war mehr als nur ein Kommando gewesen. Das Kommando brachte das Leben, aber die Absicht– die Anweisungen ihres Geistes– ermöglichte erst die zielgerichtete Handlung.
    Sie blieb neben einem großen Baum mit dünnen, blütenbehangenen Zweigen stehen, die sich zu Boden neigten. Vivenna stellte sich neben einen der Zweige und berührte die Rinde des Baumstamms, um dessen Farbe zu benutzen. Sie streckte das Seil zum Baum hin aus. » Halte fest«, sagte sie und stieß reflexartig ein wenig ihres Hauches aus. Sofort verspürte sie ein Gefühl der Panik, als die Welt um sie herum dunkler und undeutlicher wurde.
    Das Seil zuckte. Doch statt Farbe aus dem Baum zu ziehen, zog das Erwecken die Farbe aus ihrem Hemd. Das Kleidungsstück wurde grau, und das Seil bewegte sich und wand sich wie eine Schlange um den Zweig. Das Holz knirschte leise, als sich das Seil in einem seltsamen Muster zuckend um es schmiegte.
    Vivenna sah mit gerunzelter Stirn zu, bis sie begriff, was gerade geschah. Das Seil wand sich auch um ihre Hand und versuchte sie ebenfalls bewegungslos zu machen.
    » Halt«, sagte Vivenna.
    Nichts geschah. Das Seil zog sich fester zu.
    » Dein Atem zu meinem«, befahl sie.
    Das Seil zuckte nicht mehr, und ihr Hauch kehrte zu ihr zurück. Sie schüttelte das Seil frei. In Ordnung, dachte sie. »Halte fest« funktioniert, aber es ist nicht sehr eindeutig. Das Seil hat sich sowohl um meine Finger als auch um den Gegenstand gewickelt, den es nach meinem Willen binden sollte. Wie ist es wohl, wenn ich etwas anderes versuche?
    » Halte diesen Zweig«, befahl sie. Wieder verließ der Hauch sie. Diesmal war es mehr. Ihre Hose verlor die Farbe, und das Seilende zuckte und wand sich um den Zweig. Der Rest blieb reglos.
    Vivenna lächelte zufrieden. Je komplizierter das Kommando ist, desto mehr Hauch benötigt es.
    Sie holte ihren Hauch zurück. Wie Vascher ihr erklärt hatte, verursachte das keinen Schock für ihre Sinne, denn es war nichts anderes als die Wiederherstellung des Normalzustandes. Wenn sie mehrere Tage ohne diesen Hauch hätte auskommen müssen, wäre sie überwältigt worden, sobald sie ihn zurückbekam. Es war ein wenig so wie der erste Biss in eine sehr leckere Speise.
    Sie betrachtete ihre Kleidung, die nun vollkommen grau geworden war. Aus reiner Neugier versuchte sie erneut, das Seil zu erwecken. Nichts geschah. Sie hob einen abgebrochenen Zweig auf und erweckte das Seil abermals. Diesmal funktionierte es. Der Zweig verlor die Farbe, aber es kostete sie viel mehr Hauch. Vielleicht lag das daran, dass der Zweig nicht sehr farbenprächtig war. Bei dem Baumstamm hingegen funktionierte es überhaupt nicht. Vermutlich war es unmöglich, die Farbe aus etwas Lebendigem zu ziehen.
    Sie warf den Zweig weg und holte einige von Vaschers farbigen Tüchern aus dem

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