Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
nickte. In einigen Tagen wird es eine Vollversammlung des Hofes geben. Ich habe gehört, wie meine Priester gesagt haben, dass es ein sehr wichtiges Treffen ist. Es ist selten, dass alle Götter zusammengerufen werden, um über irgendetwas abzustimmen. Auf dieser Versammlung wird die Entscheidung fallen, ob wir Idris angreifen oder nicht.
Siri nickte nervös. » Ich könnte mich mit Lichtsang treffen und ihn um Hilfe bitten«, sagte sie. » Wenn wir ein paar weitere Götter auf unsere Seite bringen, könnten wir vielleicht vor der versammelten Menge deutlich machen, dass ich nicht lüge.«
Und ich werde den Mund öffnen und allen zeigen, dass ich keine Zunge habe, schrieb er. Mal sehen, was die Priester dann unternehmen. Sie werden gezwungen sein, sich dem Willen ihres eigenen Pantheons zu beugen.
Siri nickte. » Wir sollten es versuchen.«
Kapitel 49
V ascher traf sie wieder einmal beim Üben an.
Er schwebte vor dem Fenster, hatte sich vom Dach durch ein erwecktes Seil herabgelassen, das er sich um die Hüfte geschlungen hatte. Drinnen erweckte Vivenna immer wieder einen Stoffstreifen; sie hatte Vascher bisher nicht bemerkt. Vivenna befahl dem Stoff, durch das Zimmer zu huschen, sich um einen Becher zu schlingen und ihn dann zu ihr zu bringen, ohne etwas von der Flüssigkeit darin zu vergießen.
Sie lernt so schnell, dachte er. Die Kommandos waren zwar einfach auszusprechen, aber es war schwierig, ihnen den richtigen geistigen Impuls zu verleihen. Es war, als würde man lernen, einen zweiten Körper zu beherrschen. Vivenna war schnell. Ja, sie besaß eine Menge Hauch. Das machte es leichter, aber wahres instinktives Erwecken – die Fähigkeit, Gegenstände ohne Übung oder Erfahrung zu erwecken – war eine Gabe, die nur durch die Sechste Erhebung gewährt wurde. Doch diese Stufe lag über der der Zurückgekehrten mit ihrem einzigartigen göttlichen Hauch. Vivenna befand sich weit von dieser Stufe entfernt. Sie lernte schneller, als es ihr eigentlich möglich sein sollte, auch wenn er wusste, dass sie oft über ihre Fehlschläge verärgert war.
Als er nun zusah, machte sie tatsächlich einen Fehler. Das Stoffstück schwankte durch den Raum, kletterte aber in den Becher, anstatt sich darumzuwickeln. Es schüttelte sich, der Becher kippte um, und das Seil kehrte zurück und hinterließ dabei eine feuchte Spur. Vivenna fluchte, ging hinüber und füllte den Becher wieder. Sie hatte noch immer nicht bemerkt, dass Vascher vor dem Fenster schwebte. Das überraschte ihn nicht, denn augenblicklich war er ein Farbloser; sein überzähliger Hauch war in seinem Hemd gespeichert.
Sie stellte den Becher ab, und Vascher zog sich nach oben, als Vivenna ihre frühere Position wieder einnahm. Natürlich war es viel komplizierter, ein Seil so zu bewegen, als es zunächst den Anschein hatte. Sein Kommando umfasste den Befehl an das Seil, in seiner ganzen Länge auf Fingerberührungen zu reagieren. Das Erwecken war etwas anderes als das Erschaffen eines Leblosen. Die Leblosen hatten ein Hirn und konnten Kommandos und Bitten verstehen. Das Seil hatte keines und vermochte lediglich den Anweisungen zu folgen, die ihm von Anfang an gegeben worden waren.
Mit einigen Berührungen seiner Finger ließ er sich wieder hinab. Vivenna hatte den Blick vom Fenster abgewandt und hob gerade ein weiteres Stoffmuster auf, das sie als Kraftquelle zum Erwecken des Bandes brauchte, das den Becher holen sollte.
Ich mag sie, sagte Nachtblut. Ich bin froh, dass wir sie nicht getötet haben.
Vascher antwortete nichts darauf.
Sie ist sehr hübsch, nicht wahr?, fragte Nachtblut.
Davon hast du keine Ahnung, erwiderte Vascher.
Doch, habe ich, sagte Nachtblut. Das habe ich beschlossen.
Vascher schüttelte den Kopf. Hübsch oder nicht, diese Frau hätte nie nach Hallandren kommen dürfen. Sie hatte Denth ein perfektes Werkzeug an die Hand gegeben. Vermutlich brauchte Denth dieses Werkzeug gar nicht, musste er vor sich selbst zugeben. Hallandren und Idris standen kurz vor der Katastrophe. Vascher war zu lange weg gewesen. Das wusste er. Er wusste auch, dass eine frühere Rückkehr nicht möglich gewesen war.
Drinnen war es Vivenna inzwischen gelungen, den Stoff dazu zu bewegen, ihr den Becher zu bringen, und sie trank daraus mit einem zufriedenen Blick, den Vascher von der Seite knapp erkennen konnte. Er ließ sich an seinem Seil auf den Boden hinunter, befahl ihm, am oberen Ende loszulassen, und sobald es sich ihm um den Arm gewickelt hatte, holte
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