Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
Nacht.
An dieses Gefühl werde ich mich hier gewöhnen müssen, dachte sie, als die Dienerinnen von ihr zurücktraten. Andere kamen mit einem Schemel herbei. Sie setzte sich und wartete, während ihr die Frauen Gesicht und Arme mit einem angenehm warmen Tuch abrieben. Nachdem das vorbei war, trugen sie ihr wieder Schminke auf, kämmten sie und besprühten sie mit Parfümwolken.
Als sie die Augen wieder aufschlug– und der Parfümnebel noch um sie herumtrieb–, stand Blaufinger im Raum. » Ah, ausgezeichnet«, sagte er; sein junger Diener wartete gehorsam mit Tinte, Feder und Papier hinter ihm. » Ihr seid schon wach.«
Schon?, dachte Siri. Mittag ist doch bestimmt bereits vorbei!
Blaufinger betrachtete sie, nickte, warf einen Blick auf das Bett und wollte sich offenbar vergewissern, dass die Laken vernichtet worden waren. » Gut«, sagte er, » ich vertraue darauf, dass sich Eure Dienerinnen um Eure Bedürfnisse kümmern werden, Gefäß.« Er verließ das Zimmer mit dem ängstlichen Schritt eines Mannes, der sich völlig überarbeitet fühlte.
» Warte!«, rief Siri hinter ihm her. Sie stand auf und stieß dabei gegen einige ihrer Dienerinnen.
Blaufinger hielt inne. » Gefäß?«
Siri wusste nicht recht, wie sie ihren Gefühlen Ausdruck verleihen sollte. » Weißt du, was… nun von mir erwartet wird?«
» Was von Euch erwartet wird, Gefäß?«, fragte der Schreiber zurück. » Ihr meint, im Hinblick auf…« Er schaute wieder zum Bett hinüber.
Siri errötete. » Nein, nicht das. Was sind meine Pflichten? Wie soll ich meine Zeit verbringen? Was will man von mir?«
» Dass Ihr einen Erben liefert.«
» Und darüber hinaus?«
Blaufinger runzelte die Stirn. » Ich… also, um ehrlich zu sein, Gefäß, ich weiß es nicht. Ich muss sagen, dass Eure Ankunft einen großen Aufruhr am Hof der Götter verursacht hat.«
Genau wie in meinem eigenen Leben, dachte sie und errötete leicht. Auch ihre Haare wurden rot.
» Natürlich ist das nicht Eure Schuld«, fügte Blaufinger rasch hinzu. Aber… ich wünschte, ich hätte eine längere Vorlaufzeit gehabt.«
» Eine längere Vorlaufzeit?«, fragte Siri. » Diese Heirat ist doch schon vor über zwanzig Jahren durch den Vertrag besiegelt worden!«
» Ja, durchaus, aber niemand hat geglaubt…« Er verstummte. » Äh, also, wie dem auch sei, wir werden unser Bestes tun, um es Euch hier im Palast des Königs so angenehm wie möglich zu machen.«
Was sollte denn das heißen?, dachte Siri. Hat tatsächlich niemand geglaubt, dass diese Hochzeit tatsächlich stattfindet? Warum nicht? Haben sie etwa angenommen, Idris würde seinen Teil der Abmachung nicht einhalten?
Doch damit hatte er ihre Frage noch nicht beantwortet. » Ja, aber was soll ich tun?«, fragte sie und nahm wieder auf dem Schemel Platz. » Soll ich den ganzen Tag im Palast sitzen und das Feuer anstarren?«
» Bei allen Farben, nein«, kicherte Blaufinger. » Herrin, das hier ist der Hof der Götter! Ihr werdet eine Menge Möglichkeiten finden, Euch zu beschäftigen. Jeden Tag kommen Artisten herbei und zeigen den Göttern ihre Künste. Ihr könnt jeden von ihnen für eine private Vorstellung zu Euch befehlen.«
» Aha«, meinte Siri. » Darf ich vielleicht auch reiten?«
Blaufinger rieb sich das Kinn. » Ich vermute, wir könnten ein paar Pferde für Euch in den Hof bringen. Natürlich müsst Ihr warten, bis der Hochzeitsjubel vorbei ist.«
» Der Hochzeitsjubel?«, fragte sie.
» Ihr… wisst es also nicht? Hat man Euch denn auf gar nichts vorbereitet?«
Siri errötete.
» Ich wollte Euch nicht beleidigen«, sagte Blaufinger. » Der Hochzeitsjubel ist die Woche, in der wir die Eheschließung des Gottkönigs feiern. Während dieser Zeit dürft Ihr den Palast nicht verlassen. Und am Ende werdet Ihr dem Hof der Götter offiziell vorgestellt.«
» Oh«, meinte sie. » Und danach darf ich die Stadt verlassen?«
» Die Stadt verlassen!«, entfuhr es Blaufinger. » Gefäß, Ihr dürft nicht einmal den Hof der Götter verlassen!«
»Wie bitte?«
» Ihr seid vielleicht nicht selbst eine Göttin«, fuhr Blaufinger fort, » aber Ihr seid die Gemahlin des Gottkönigs. Es wäre viel zu gefährlich, Euch hinauszulassen. Aber ärgert Euch nicht darüber– alles, was Ihr haben wollt, wird man Euch hierherbringen.«
Außer der Freiheit, dachte sie und fühlte sich ziemlich schlecht.
» Ich verspreche Euch, sobald der Hochzeitsjubel vorbei ist, werdet Ihr keinen Grund mehr für Beschwerden haben. Alles, was
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