Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
Parlin.
» Wir warten«, antwortete Vivenna. » In meinem Brief habe ich Lemex befohlen, das Speiselokal jeden Mittag aufzusuchen. Wir bleiben hier sitzen, bis er eintrifft.«
Parlin nickte und zappelte nervös herum.
» Was ist los?«, fragte Vivenna leise.
Er schaute zur Tür. » Ich habe kein Vertrauen zu diesem Ort, Vivenna. Ich rieche nichts als Leiber und Gewürze und höre nichts als das Gerede der Leute. Hier ist kein Wind, hier sind keine Bäume, keine Flüsse, sondern nur… Menschen.«
» Ich weiß.«
» Ich will nach draußen gehen«, sagte er.
» Was?«, fragte Vivenna. » Warum?«
» Wenn man mit einem Ort nicht vertraut ist, dann muss man sich mit ihm vertraut machen«, sagte Parlin. Eine weitere Erklärung gab er nicht.
Vivenna fühlte einen Stich der Angst bei dem Gedanken, allein zu sein. Aber es war nicht schicklich, von Parlin zu verlangen, bei ihr zu bleiben und sich um sie zu kümmern. » Versprichst du, dass du in der Nähe bleibst?«
Er nickte.
» Dann geh.«
Er verließ den Raum. Er bewegte sich nicht wie ein Hallandrener; dazu war er zu geschmeidig– fast wie ein Tier auf der Jagd. Vielleicht hätte ich ihn mit den anderen zurückschicken sollen. Aber der Gedanke, hier völlig allein zu sein, war unerträglich gewesen. Sie brauchte jemanden, der ihr bei der Suche nach Lemex half. Doch inzwischen hatte sie das Gefühl, dass sie ein zu großes Risiko eingegangen war, indem sie die Stadt mit nur einem einzigen Soldaten betreten hatte, auch wenn er überaus fähig war.
Aber es war geschehen, und es hatte keinen Sinn, sich jetzt noch Sorgen zu machen. Sie saß da, hatte die Arme auf dem Tisch verschränkt und dachte nach. Zu Hause in Idris hatte ihr Plan, Siri zu retten, einfach gewirkt. Doch jetzt zeigte sich ihr die wahre Natur ihres Vorhabens. Irgendwie musste sie in den Hof der Götter gelangen und ihre Schwester aufstöbern. Wie konnte ihr etwas so Verwegenes gelingen? Sicherlich war der Hof der Götter sehr gut bewacht.
Lemex wird schon etwas einfallen, sagte sie zu sich selbst. Noch müssen wir gar nichts unternehmen. Ich …
Ein Mann setzte sich an ihren Tisch. Er war weniger farbenfroh gekleidet als die meisten Hallandrener; seine Kleidung bestand hauptsächlich aus braunem Leder, allerdings hatte er sich eine rote Stoffweste übergezogen. Das war nicht Lemex. Der Spion war ein älterer Mann, schon über fünfzig. Der Fremde hingegen hatte ein langes Gesicht, sorgsam frisierte Haare und konnte keinen Tag älter als fünfunddreißig sein.
» Ich hasse das Söldnerdasein«, sagte der Mann. » Wisst Ihr warum?«
Vivenna saß vor Entsetzen starr da, hatte den Mund nur ein wenig geöffnet.
» Die Vorurteile«, erklärte der Mann. » Alle anderen arbeiten, bitten dafür um Bezahlung und werden geachtet. Söldner aber nicht. Wir haben einen schlechten Ruf, nur weil wir unsere Arbeit machen. Wie vielen Musikanten passiert es, dass sie bespuckt werden, bloß weil sie ihre Bezahlung vom Höchstbietenden annehmen? Wie viele Bäcker fühlen sich schuldig, wenn sie ihr Gebäck gleichzeitig an jemanden und an dessen Feinde verkaufen?« Er sah sie an. » Nein. So ist das nur bei den Söldnern. Ungerecht, nicht wahr?«
» W…wer bist du?«, gelang es Vivenna zu fragen. Sie zuckte zusammen, als sich ein weiterer Mann an ihre andere Seite setzte. Er war untersetzt und trug eine Keule, die an seinem Rücken festgebunden war. Auf ihrer Spitze hockte ein farbenprächtiger Vogel.
» Ich bin Denth«, sagte der erste Mann, ergriff ihre Hand und schüttelte sie. » Und das da ist Tonk Fah.«
» Sehr erfreut«, sagte Tonk Fah und nahm ihre Hand, sobald Denth sie losgelassen hatte.
» Leider, Prinzessin«, sagte Denth, » sind wir hier, um Euch zu töten.«
Kapitel 10
S ofort wurden Vivennas Haare weiß. Denk nach!, befahl sie sich selbst. Du hast Unterricht in Politik bekommen. Du hast gelernt, wie man bei einer Geiselnahme verhandelt. Aber … was tust du, wenn du selbst die Geisel bist?
Plötzlich brachen die beiden Männer in Gelächter aus. Der größere schlug mehrfach mit der Hand auf den Tisch, wobei sein Vogel protestierend aufkreischte.
» Entschuldigung, Prinzessin«, sagte Denth– der dünnere Mann– und schüttelte den Kopf. » Das war nur ein bisschen Söldnerhumor.«
» Manchmal töten wir, aber wir ermorden niemanden«, sagte Tonk Fah. » Das ist die Aufgabe der Attentäter.«
» Attentäter«, sagte Denth und hob den Finger. » Also, die werden respektiert. Was
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