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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und erkannte im selben Moment, dass das ein Fehler war. Plötzlich rammte Almarik in einem gezielten Gegenangriff die Hand nach oben. Statt Tarik einen zweiten Faustschlag zu versetzen, riss er ihm die Augenklappe herunter.
    Das Glutrot des Himmels steigerte sich augenblicklich zu einem gleißenden Fanal. Tarik schrie auf, riss beide Hände hoch und presste sie auf sein Gesicht. Wie Säure brannte sich die Helligkeit in sein Hirn. Almarik schüttelte ihn ab. Tarik wurde zur Seite geworfen, krachte mit der Schulter gegen die Zinnen und kam zum Liegen, eingerollt, mit angezogenen Knien, die geballten Fäuste fest auf die Augenhöhlen gedrückt. Sabatea brüllte etwas, dann spürte er ihre kühlen Hände auf den seinen und hörte, wie sie rief, jemand möge die Augenklappe herbeischaffen, sofort!
    Er trieb auf einem Strom aus Schmerz und blieb nur unter Aufbietung aller Willenskraft bei Sinnen. Das Tageslicht sickerte von irgendwoher in seinen Schädel, obwohl er das fremde Auge fest mit der Hand bedeckte. Die Helligkeit glühte in ihm nach, und er stellte sich vor, wie der Narbennarr tief in ihm lachte und sich an seinen Qualen weidete.
    Ihr Prophet, hatte Khalis ihn genannt.
    Die Rückkehr des Propheten zu seinem angestammten Volk.
    Seltsamerweise wurde ihm erst jetzt, in diesem Strudel aus Pein und Hilflosigkeit, bewusst, was das bedeutete. Und was Amaryllis ihm wirklich angetan hatte. Mit einem Mal fiel es sehr leicht sich auszumalen, was die Dschinne mit ihm anstellen würden, wenn sie seiner habhaft wurden. Er mochte die Visionen ihres Propheten teilen, aber er war auch derjenige, der Amaryllis getötet hatte. Im Inferno der untergehenden Neststädte mussten zahllose Dschinne mit angesehen haben, wie er den Narbennarren in die Flammen geschleudert hatte.
    »Tarik…« Sabatea flüsterte seinen Namen, ganz nah an seinem Ohr. »Ich bin bei dir. Ich lasse nicht zu -« Den Rest verstand er nicht mehr, weil sie sich wieder von ihm entfernte. Dann spürte er, wie ihm jemand die Augenklappe über den Kopf streifte und ihn zwang, die Hand vom Gesicht zu nehmen.
    Stimmen stritten miteinander, dann fühlte er sich zur Seite gerollt, fort von den Zinnen, spürte einen Teppich unter sich und war instinktiv versucht, die Hand ins Muster zu schieben. Aber jemand packte sein Gelenk und hielt ihn zurück, während sich das Knüpfwerk unter ihm versteifte und vom Boden löste.
    Ihm war, als sähe er in dem Abglanz der schrecklichen Helligkeit hinter seinen Lidern noch etwas anderes, ein weißes Ross, das aus der Morgenröte auf ihn zu galoppierte, flankiert von mächtigen gefiederten Schwingen, deren Rauschen sein Gesicht kühlte und die fiebrige Hitze vertrieb.
    Wieder vernahm er Sabateas Stimme, sie war noch immer bei ihm, aber sie sprach zu jemand anderem, nicht zornig wie zuvor, sondern ruhig, fast sanft.
    Der Teppich glitt durch die Lüfte, senkte sich steil nach unten. Dann streifte ein Hauch von Seide Tariks Haut, als sie ins Innere des Palastes schwebten und aufsetzten.
    Die Bewusstlosigkeit lockte ihn noch immer, aber sie blieb ein leeres Versprechen. Sabatea küsste seine Stirn, dann seine Lippen. Sein Kopf ruhte in ihrem Schoß. Da sie den Teppich nicht lenkte, musste es ein anderer tun. Der verfluchte Byzantiner.
    Noch bevor Tarik das eine Auge wieder öffnete, sah er Almarik in seiner Erinnerung vor sich, oben auf dem Turm. Gerade eben erst, vor wenigen Augenblicken. Aber da war ein Detail, das ihm zuvor nicht aufgefallen war. Irgendetwas an Almarik war anders als noch vor wenigen Tagen. Etwas fehlte.
    Die Flasche an seinem Gürtel war fort.
     

     
    »Ich will nicht mit dir kämpfen«, sagte der Byzantiner, als er ihm erneut gegenübertrat.
    Der Schmerz hatte sich aus Tariks Kopf zurückgezogen. Geblieben war ein Stechen in seinem Augapfel, als hätte jemand eine feine Nadel durch seine Pupille gestoßen und das Auge damit in der Höhle fixiert. Die Flut aus Helligkeit hatte sich zu einem winzigen weißen Punkt verhärtet, der wie ein Stern vor ihm in der Schwärze schwebte. Er kämpfte gegen den irrwitzigen Drang an, danach zu greifen. Es tat gut, sich auf etwas zu konzentrieren, das so simpel war, ohne jeden Ballast aus Empfindungen, den guten wie den schlechten. Nur ein einsamer Stern in seiner ganz persönlichen Finsternis.
    Er saß am Boden, mit dem Rücken zur Wand, und stieß ein galliges Lachen aus. Sabatea, die neben ihm kniete, warf ihm einen besorgten Blick zu.
    »Schon gut«, sagte er. »Gib mir noch

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