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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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erträglicher war und die Feuchtigkeit nach oben stieg. Atmete durch, drehte sich einmal um sich selbst und beobachtete die Arkaden, die Silhouetten der Säulen und Menschen. Seine Kleider rochen nach Wein, und da war auch ein Schatten von Blut; er hatte sich die Faust an der Hose abgewischt, ohne es zu bemerken. Hatte er dem Mann die Nase gebrochen? Er erinnerte sich nur an Schläge in den Bauch. Warum nicht an den Hieb ins Gesicht, von dem das Blut stammen musste?
    Ich muss hier raus, durchzuckte es ihn. Aber er durfte noch nicht gehen, sonst wäre es nur eine Niederlage mehr, die ihn bald zurück an Orte wie diesen treiben würde. Heute noch, oder in der nächsten Nacht, obwohl es so viel zu tun gab. Sabatea befreien, Junis finden. Und das Rätsel um Maryam lösen. Sie war nicht mehr die tote Geliebte, um die er jahrelang getrauert hatte. Sie war ein Phantom aus der Vergangenheit, das ihn eingeholt hatte wie eine verdrängte Erinnerung. Er war froh, dass sie lebte, vermutlich lebte, aber seine Freude war nicht die eines Liebenden. Sie wiederzusehen bedeutete, den Schlussstrich unter eine Suche ohne Ziel zu ziehen. War das noch Liebe? Nicht wie früher. Er liebte Sabatea, dessen war er ganz sicher. Maryam hingegen… Was bedeutete sie ihm wirklich, jetzt da sie von den Toten auferstanden war? Er wusste es nicht und verdrängte die Frage, so gut es eben ging.
    Wieder kamen Männer auf ihn zu, gleich drei diesmal, und aus ihren Bechern und Krügen drang der Geruch von Kumys, vergorener Stutenmilch, einem Trunk aus den Ländern der Türkenstämme, aus den Bergen und Steppen des byzantinischen Reichs. Das verdammte Byzanz ließ ihm keine Ruhe, nicht einmal hier. Er hätte Almarik den Hals umdrehen sollen, als er bewusstlos vor ihm gelegen hatte. Ein Verfolger weniger. Dass er es nicht getan hatte, war Schwäche und Sieg zugleich gewesen. Er war sich nicht sicher, was schwerer wog.
    Er trat beiseite und ließ die betrunkenen Männer passieren. Wein und Blut blühten rot auf seiner Kleidung. An diesem Ort war das wie ein Siegel: Seht, ich bin einer von euch.
    Und das war er wohl auch. Einer von ihnen.
    Ganz und gar zwecklos, das zu leugnen.

 
Nachtgesicht
 
 
    Tarik betrat einen Schankraum mit runden Tischen. Die Dämpfe, die hier wogten, hatten nichts mit Wasser zu tun, sie waren berauschender als der Wein und von verlockender Süße. Hier holten sich die Männer den nötigen Mut, um ihren Glauben für ein paar Stunden abzulegen und zu Mädchen und Knaben in die Bäder zu steigen.
    Mancherorts waren Spiele im Gang. Würfel aus Knochen und Horn rasselten in Lederbechern, prasselten auf weinfeuchte Tische. Ein Mann legte Karten und überspielte mit pompöser Gestik, dass er seine Zuschauer um ihr Geld, ihre Zukunft oder beides betrog.
    Weiter hinten fand Tarik einige Männer, die sich abseits der anderen über eine Tischplatte beugten. Er gesellte sich zu ihnen, in der Hoffnung, einen zu finden, der nicht berauscht oder volltrunken war und ihm Auskunft geben konnte. Allerdings war er nach der Begegnung mit dem Mädchen nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee war, offen Erkundigungen über den Stummen Kaufmann einzuholen.
    Zwischen den Köpfen hindurch sah er, was auf der Tischplatte vor sich ging. Dort kämpften zwei Grillen, mit blitzschnellen Sprüngen und schnappenden Zangen. Ähnliches kannte er aus Samarkand, und er fand es hier kein bisschen reizvoller als dort.
    Die beiden Grillen wurden von den Spielern mit dünnen Pinseln aufeinandergehetzt. Jedes Duell dauerte nur wenige Augenblicke. Der Kampf zweier Grillen endete selten mit dem Tod eines Kontrahenten, oft nicht einmal mit schweren Wunden; doch eine Grille, die einmal unterlegen war, würde nie wieder kämpfen. Sie war in ihrem Stolz verletzt, und womöglich war es gerade diese menschliche Regung, die den Grillenkampf für die Männer so interessant machte. Die Spieler hielten ihre Tiere in kleinen Tonbechern und nahmen nächtelanges Zirpen in Kauf, während sie die winzigen Gladiatoren auf ihre Turniere vorbereiteten. Aber wer wie Tarik den Schwarmschrecken im Dschinnland gegenübergestanden hatte, verlor rasch die Freude an Beißscheren und Insektenpanzern.
    Er musterte noch immer die fiebrigen Mienen der Männer, als eine Hand die seine berührte. Alarmiert wirbelte er herum.
    Abermals stand da das Mädchen, den Kinderkörper notdürftig mit Seide umhüllt.
    »Komm«, sagte sie, genau wie vorhin, aber etwas verriet ihm, dass sie es diesmal anders

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