Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
meinte.
»Zum Kaufmann?«, fragte er leise.
Sie nickte mit gesenktem Blick. »Komm mit mir.«
Er folgte ihr aus der Taverne auf den Hof, hinüber in eines der großen Bäder. Die Wände waren mit aufwendigen Mustern gekachelt, hellblau und türkis. Breite Stufen führten in dampfende Becken. Sklavinnen reichten Weine und Obst. Für eine Stadt, der eine Belagerung bevorstand, ging man hier allzu leichtsinnig mit Nahrungsmitteln um. Aber wer wusste schon, welche Ausnahmen an einem Ort wie diesem galten und wie viele Münzbeutel dafür über die Tische verdunkelter Amtsstuben und Gardequartiere geschoben worden waren.
Das Mädchen huschte noch immer voraus, feingliedrig und weiß wie aus Marmor, keine Einheimische. Immer wieder zogen Dampfschwaden zwischen Tarik und ihr vorüber, und dann schien sie vor seinen Augen ihre Gestalt zu verändern, wurde zu einem anderen schneeweißen Geschöpf, das weite Schwingen ausbreitete, um damit in den Himmel aufzusteigen. Nur die Seide, die bei jedem Schritt auf und ab wogte.
»Komm«, sagte sie wieder und winkte ihm zu.
Er schüttelte die seltsame Vision ab, das Überlagern zweier Bilder, und beschleunigte seine Schritte.
Plötzlich aber blieb er stehen und starrte vom Rand eines Beckens über das Wasser. Mehrere verschwommene Gestalten bildeten dort einen Halbkreis. Eine von ihnen, ein schwergewichtiger Schwarzer aus den afrikanischen Königreichen, unterhielt die anderen mit Zauberkunststücken.
Auch das Mädchen verharrte und sah zurück zu Tarik. »Der Kaufmann wartet«, flüsterte sie, kaum verständlich im Rumoren so vieler Stimmen.
Tarik bewegte sich nicht. Starrte nur den kahlköpfigen Schwarzen an. Die Hände des Mannes waren weit geöffnet und wiesen über das Wasser. Strudel wuchsen aus der Oberfläche empor wie rotierende Trichter und bewegten sich in einem wiegenden Tanz. Wirbelstürme. Klein, nicht allzu eindrucksvoll, wenn man die Tornados der Sturmkönige kannte. Und doch gab es nicht den geringsten Zweifel.
»Magie«, flüsterte das Mädchen, das unbemerkt an Tariks Seite getreten war und seinen Blicken folgte. Ihre Hand tastete wieder nach seiner. »Nur ein Spiel. Nachtgesicht macht das oft.«
»Nachtgesicht?«, murmelte er.
Sie nickte. »Der schwarze Mann.«
»Ich muss mit ihm sprechen.«
Sie erschrak, als hätte er sie geohrfeigt. »Aber der Stumme Kaufmann wartet auf dich!«
»Dann wartet er eben noch ein wenig länger.«
Die Schwaden zwischen Tarik und der Gruppe im Wasser verdichteten sich, als die beiden Wassertornados größer wurden. Sie spielten wie junge Hunde, sprühten Tropfen in alle Richtungen, pflügten schäumende Bahnen durch das Becken. Ein Zuschauer klatschte, andere johlten. Nachtgesicht sagte etwas, aber Tarik konnte ihn nicht verstehen. Eine Frau kreischte vor Vergnügen, vielleicht nicht in diesem Becken, sondern anderswo. Schwer zu sagen in all dem Dunst und Lärm.
»Warte hier«, sagte Tarik zu dem Mädchen.
»Nein«, widersprach sie. »Komm mit mir.«
Er rang sich ein Lächeln ab, doch das machte sie nur noch ängstlicher. Männer, die einem Mädchen an diesem Ort zulächelten, führten selten Gutes im Schilde.
Er ließ sie stehen und begann, das Becken zu umrunden, ohne den Schwarzen zwischen den Zuschauern aus den Augen zu lassen. Nachtgesicht schien zu spüren, dass etwas nicht stimmte. Einer der Wirbelstürme fräste eine Schneise in die weißen Dämpfe, und für wenige Augenblicke war die Sicht zwischen den beiden Männern glasklar. Ihre Blicke begegneten sich.
Tarik war dem Schwarzen nie zuvor begegnet, aber Nachtgesichts Miene veränderte sich schlagartig. Was immer er in Tarik sehen mochte, reichte aus, ihn gründlich aus der Fassung zu bringen. Die beiden Wirbelstürme sackten abrupt zusammen, Wasser klatschte auf die Oberfläche, Wellen schlugen gegen den Beckenrand. Einige der Zuschauer murrten, aber der Schwarze kümmerte sich nicht mehr um sie. Schon stemmte er seinen schweren Leib aus dem Wasser, schneller, als Tarik erwartet hätte, zerrte sich ein Tuch um die Lenden und rannte los.
Auch Tarik wurde jetzt schneller. Nachtgesicht hatte das Becken an der Stirnseite verlassen, er selbst aber eilte noch immer am Seitenrand entlang. Noch fünf Schritte bis zur Ecke, dann weitere zehn zu der Stelle, an der sich der Schwarze ins Trockene gezogen hatte.
»He!«, rief Tarik dem Mann hinterher, ein Impuls, für den er sich gleich darauf verfluchte. Mehrere Gesichter wandten sich in seine Richtung.
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