Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
sterben«, sagte sie sanft.
Plötzlich fielen ihm die verschlungenen Muster auf ihrem Handrücken auf. Er kannte diese Symbole, hatte sie schon früher dort gesehen, bei ihrem Aufbruch aus Samarkand vor über sechs Jahren. Ein Schutzzauber, den irgendein Hinterhofmagier auf ihre Haut gezeichnet hatte. Sie hatte die Schriftzeichen nachtätowieren lassen.
Fast ein wenig erschrocken blickte er von ihrer Hand zu ihren Augen auf. Das intensive Grün schien noch heftiger zu leuchten.
»Ja«, sagte sie leise, »dieselben Zeichen. Sie haben meine erste Begegnung mit Amaryllis überstanden, und dann, als seine Gefangene, habe ich sie nicht mehr missen wollen. Sie haben mich an das erinnert… was vorher war. An ein anderes Leben.«
»Dann vergiss einfach, dass wir uns je gekannt haben. Behandele mich wie diese armen Schweine aus den Pferchen, die ihr befreit habt. Sie brennen darauf, selbst zu Sturmkönigen zu werden. Darum habt ihr sie doch befreit, oder? Tu so, als wäre ich einer von ihnen. Irgendein Überlebender aus den Bergen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du verstehst noch immer nicht.«
Er verengte die Augen, wich ihrem Blick aber nicht mehr aus. Ihre Finger lagen weiterhin auf seinen, rau und kühl.
»Was wir hier draußen tun«, fuhr sie fort, »unser Kampf gegen die Dschinne… Wir töten sie, wo wir nur können. Schlachten ihre Patrouillen ab, wenn wir ihnen begegnen. Zerstören ihre Lager. Wir zermalmen sie zwischen unseren Stürmen.« Sie zog abrupt ihre Hand zurück, als wäre sie sich der Berührung erst jetzt bewusst geworden. »Was wir normalerweise nicht tun, ist Gefangene zu befreien. Das war nicht geplant, Junis. Unser Ziel war es, Amaryllis zu vernichten. Ihn und so viele von seinen Kriegern wie nur möglich. Der Angriff auf die Hängenden Städte war von langer Hand vorbereitet. Aber wir wussten nicht, dass dort unten in der Grotte noch immer Sklaven festgehalten wurden. Hätte ich nicht genug damit zu tun gehabt, die Hängenden Städte nach Amaryllis zu durchforsten, dann hätte ich meine Leute davon abgehalten, euch zu befreien. Ihr alle – du genauso wie diese Nomaden, die wir nun nicht mehr loswerden – seid eine Last für uns. Ihr werdet uns schwächen, wenn die Dschinne erst angreifen. Und das werden sie, schon bald sogar. Wir laufen schon lange nicht mehr vor ihnen davon. Genau aus diesem Grund haben sie begonnen, uns zu fürchten. Weil wir sie nicht mehr fürchten.«
Er starrte sie an. »Es ist dir vollkommen gleichgültig, ob diese Menschen leben oder sterben.«
»Wir töten Dschinne. Das ist es, was wir uns zur Aufgabe gemacht haben. Wir töten sie, wann immer wir ihnen begegnen. Wir nehmen Leben, aber wir schenken keines. Für dich muss das kaltherzig und grausam klingen. Für mich spricht daraus nur dieselbe Vernunft, die uns jahrelang in dieser Wüste hat überleben lassen. Und die es uns ermöglicht hat, Tausende dieser Teufel zu töten.« Sie stieß ein kurzes Lachen aus, ein Splitter der früheren Maryam, aber so scharf und kalt wie Eis. »Schau mich nicht an, als müsste mir das den Schlaf rauben! Die Wahrheit ist, dass ich noch nie in meinem Leben ruhig geschlafen habe, Junis. Tarik wollte mich aus Samarkand fortbringen, weil mir die Träume keinen Frieden gelassen haben. Träume von einer endlosen Gefangenschaft, von einem Kerker – mein armseliges Dasein in Samarkand, dachte ich damals. Aber das war ein Irrtum. Die Träume hatten nichts mit Samarkand oder mit Kahramans Tyrannei zu tun. Und ich träume sie noch immer, jede verdammte Nacht! Ich bin noch immer dieselbe Gefangene wie damals, wir alle sind Gefangene. Nur erkennen das die meisten nicht.« Sie zögerte. »Der Einzige, der es begriffen hat, war Amaryllis. Er kannte meine Träume, weil er selbst sie auch geträumt hat. Das war es, was er damals in der Oase gespürt hat, als er mich mit sich genommen hat. Er hat nach denselben Antworten gesucht wie ich, er kannte all die Qualen, all die Ängste…«
»Er war ein verfluchter Dschinn!«
»Natürlich. Und ich glaube auch nicht, dass er auf der richtigen Fährte war. Aber seine Fragen waren die richtigen. Es waren dieselben, die mich heute noch jeden Tag fast um den Verstand bringen.«
Junis’ Wangemuskeln strafften sich. »Ihr habt euch gut verstanden, du und er.«
»Ist das Arroganz, Junis?« Sie sprang auf. »Oder bist du tatsächlich noch dasselbe Kind wie damals, das nicht einsehen kann, dass nichts in der Welt geschieht, nur weil es sein Wille ist? Wir
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