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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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den Ausläufern des Kopet-Dagh, kamen erst schleichend und still, dann entfesselt und mit Getöse. Als sie die schrecklichen Melodien ihrer Kriegsgesänge anstimmten, abscheuliche, disharmonische Chöre über der öden Felsenwüste, hatten die Sturmkönige sie längst erspäht.
    Der Wall aus Wirbelstürmen brüllte wie eine Heerschar wilder Bestien, weitere gesellten sich hinzu, eine lebende Säulenreihe aus rotierenden Winden und fauchenden Sandmassen. Zum ersten Mal sah Junis die Sturmkönige im Kampf auf freiem Gelände. In der Enge der Rochgrotte, dem Versteck der Hängenden Städte, hatten sie es allein auf Zerstörung angelegt, schnell und tödlich wie eine Reiterhorde im Gefecht mit wehrlosem Fußvolk. Hier aber, in der offenen Wüste, gingen sie anders vor.
    Er hatte die Hand im Muster des Teppichs versenkt und ließ ihn in der Luft über den Zelten der befreiten Gefangenen verharren. Zweiunddreißig Männer aus den Pferchen der Hängenden Städte hatten sich den Sturmkönigen angeschlossen, aber keiner von ihnen war bislang in die Beherrschung der Wirbelstürme eingewiesen worden. Weder waren sie bewaffnet – Maryam schien ganz besessen von der Furcht vor Verrätern –, noch konnten sie irgendwohin fliehen. Ihnen blieb nichts übrig, als sich wehrlos zwischen den Zelten zusammenzudrängen.
    Junis wusste, wie sie sich jetzt fühlen mussten, verängstigt, erniedrigt, ausgeliefert. Wie viel besser ging es da ihm selbst. Er konnte sich auf dem fliegenden Teppich in die Lüfte erheben und den Kampf von oben verfolgen. Dabei war er hier keineswegs sicher: Sein Teppich vermochte nicht höher als hundertfünfzig Meter aufzusteigen und blieb damit in Reichweite der fliegenden Dschinnkrieger. Falls sie den Wall der Wirbelstürme durchbrachen, würde er eines ihrer ersten Ziele sein.
    Im goldenen Schein der Abendsonne beobachtete er, wie Maryams Rebellen vorrückten. Die vorderen Tornados waren die höchsten, schraubten sich wie kreiselnde Türme in den violetten Himmel. Sie wirbelten solche Mengen Staub und Sand auf, dass das angreifende Heer hinter ihnen nicht mehr zu sehen war. Junis hatte kaum mehr als einen kurzen Blick auf die Dschinne werfen können, aber das hatte ausgereicht, um zu erkennen, dass sie nicht nur mit Kriegern angriffen. Da waren andere Wesen bei ihnen, groß und schwer wie Häuser, vielbeinig, mit Panzern aus Horn und Knochendornen. Und einmal, ganz kurz, glaubte er noch etwas zu sehen, einen dunklen Punkt über all den anderen, weiter oben als sie, verankert an vier dünnen Strängen, die im Gewimmel einer schwebenden Dschinnphalanx endeten.
    Junis war solch einer Kreatur schon einmal begegnet, über dem Kaktuswald der Dornenkrone. Er hatte nicht vergessen, über welche mörderische Macht ein Kettenmagier des Feindes gebot.
    Die vorderen Tornados pflügten tosend auf ihre Gegner zu. In jedem der wirbelnden Trichter war ein dunkler Punkt zu erkennen, mitten im Herz des rasenden Strudels: ein einzelner Sturmkönig, dick vermummt in Leder und Leinen, der den Weg des Wirbelsturms bestimmte, ihn höher oder niedriger werden ließ, geschützt in einer Blase aus Stille, ein Kokon aus unbewegter Luft, der wie ein Kern im Zentrum des Wirbels schwebte.
    Junis konnte das Verderben nur erahnen, das die ersten Stürme unter die Dschinne trugen. Einen Augenblick lang fragte er sich, wie irgendetwas dieser Macht standhalten konnte und warum nicht längst alle Gegner vertrieben oder zerschmettert waren, nicht nur hier, sondern überall.
    Dschinnkrieger wurden zu Dutzenden erfasst und in alle Richtungen geschleudert, manche zerrissen oder zwischen Stürmen zerrieben. Ihre purpurnen, beinlosen Leiber, die auf Höhe der Hüften in einem fleischigen Zapfen endeten, trudelten durch den aufgewühlten Himmel, krachten leblos zu Boden oder verschwanden hinter Wolken aus Staub. Ihre geflammten Körpermuster, hässlich wie schillernde Brandmale, zerplatzten an den Felsen, sprühten Dschinnblut über Gestein und Sand.
    Aber jene, die dem Gegenangriff der Sturmkönige zum Opfer fielen, waren nur wenige im Vergleich zu der weit größeren Streitmacht, die ihnen folgte. Das Heer – oder das, was Junis in all dem Chaos davon erkennen konnte – teilte sich blitzschnell, bildete Schneisen um die heranrasenden Stürme. Und nun kamen auch die anderen Kreaturen zum Einsatz, gepanzerte Schwarmschrecken, die sich mit surrenden Libellenflügeln vom Boden abstießen und geradewegs in die Stürme stürzten. Entsetzt sah Junis, wie

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