Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
über sich einen Umriss aus gezackten Beinen und gewölbtem Chitin, aber die Schwarmschrecke hatte andere Beute im Sinn und surrte mit ihren meterlangen Libellenflügeln über ihn hinweg.
    Alles in ihm schrie danach, die Flucht zu ergreifen, jetzt, da die Dschinne von den Flüchtlingen am Boden abgelenkt waren. Aber er hatte das Gefühl, zu Ende bringen zu müssen, was er begonnen hatte. Mit brennenden Augen hielt er Ausschau nach der Magierin, hoffte, dass sie von dem fehlgeschlagenen Zauber geschwächt und womöglich auch abgelenkt war.
    Was er entdeckte, war nicht die Magierin, sondern eine zweite Schwarmschrecke, vor ihm, dann unter ihm. Er gab dem Teppich einen Befehl, riss die Hand aus dem Muster, sprang über den Fransenrand – und landete mit dem Schwert in der Hand auf dem Rücken des Rieseninsekts, genau zwischen den flirrenden Libellenschwingen. Er kam breitbeinig auf, wurde aber sofort umgeworfen, prallte auf den Bauch und verlor fast die Waffe. Geistesgegenwärtig klammerte er sich mit der Linken an einer Chitinkante fest, scharf wie der Rand einer Riesenmuschel, und umfasste mit der Rechten den Schwertgriff. Die Schwarmschrecke geriet in Panik, rollte im Flug hin und her und versuchte ihn abzuwerfen.
    Ein knapper Blick über die Schulter zeigte ihm, dass der Teppich gehorchte: In einer scharfen Kehre hatte er den Kurs gewechselt und folgte der Schwarmschrecke.
    Junis zog sich unter Schmerzen nach vorn, noch immer auf dem Bauch liegend, oben auf dem Buckelkamm der Kreatur. Die Libellenflügel verursachten einen Höllenlärm, aber selbst der ging fast unter im Getöse der Wirbelstürme, die jetzt überall zu sein schienen – ebenso wie die Dschinne, die längst in keiner Formation mehr flogen, sondern kreuz und quer zwischen den Windhosen schwebten, Lanzen schleuderten oder sich todesmutig von oben in die Sturmtrichter warfen, in der vagen Hoffnung, an die Lenker im Inneren heranzukommen.
    Die Schwarmschrecke mochte nicht die Intelligenz besitzen, um zu erkennen, was der Reiter auf ihrem Rücken plante. Aber sie wollte ihn loswerden, bevor sie zum Angriff auf den nächsten Sturmkönig überging. Das war Junis’ Glück, denn die entfesselten Winde hätten ihn sofort von der Bestie gezerrt. So aber blieb ihm Zeit, sich ein Stück weiter nach vorn zu arbeiten, bis zu einer Vertiefung zwischen zwei Hornsegmenten.
    Die Schrecke kreischte auf, ein hoher, fast pfeifender Laut, als er das Schwert steil nach unten zwischen die Chitinränder trieb. Die Klinge traf kaum auf Widerstand, glitt in das butterweiche Insektenfleisch unter dem Panzer, schnitt durch Organe und Nervenstränge. Gelbes Blut spritzte aus der Wunde, besudelte Junis und betäubte ihn fast mit seinem scharfen, harzigen Gestank.
    Der Ruck war heftiger, als er befürchtet hatte, brutal wie ein Rammbock, der ihn in den Unterleib traf. Von einem Herzschlag zum nächsten war die Schwarmschrecke fort, und er selbst befand sich im freien Fall. Das Schwert war im Leib des Insekts zurückgeblieben. Es trudelte seitlich von ihm davon, tödlich verletzt dem Boden entgegen. Junis schrie, während er im Sturz um sich tastete – und einen Augenblick später aufschlug.
    Nicht auf den Felsen, sondern auf der brettharten Oberfläche seines fliegenden Teppichs.
    Das Knüpfwerk hatte ihn aufgefangen, schlug unter ihm eine euphorische Welle, lag dann wieder flach in der Luft und trug ihn nach Osten, aus dem Irrsinn der Schlacht, der Nacht entgegen.
    Sekundenlang lag er da, halb betäubt vom Gestank des Schwarmschreckenbluts. Mühsam stieß er die linke Hand ins Muster. Er spürte die Freude und Aufregung des Teppichs, vergnügt wie ein Kind, stolz auf die Rettung seines Meisters. Nie zuvor hatte er so viel Leben in einem fliegenden Teppich gespürt wie in diesem, und er wusste, dass sie einander gesucht und gefunden hatten, dieses fremde, alte, ungeliebte Knüpfwerk und er, ein Verschollener, bald vielleicht Ausgestoßener.
    Aber es war noch nicht vorbei, für die Sturmkönige und Dschinne so wenig wie für ihn. Seine Finger berührten neue Stränge, verflochten sie blitzschnell miteinander. Der Teppich protestierte. Junis sandte eine stumme Entschuldigung ins Muster.
    Der Teppich gab nach, flog eine Kurve und trug ihn zurück in die Schlacht.

 
Neue Freunde
 
 
    Mryam war nirgends zu sehen, wohl aber der Junge Jibril. Sein Wirbelsturm fauchte an Junis’ Seite, kurz bevor der Teppich die Ausläufer der Kämpfe erreichen konnte.
    »Warte!«, rief ihm das Kind

Weitere Kostenlose Bücher