Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
sich die Bestien in gerader Bahn durch die Wirbelwände der Tornados bohrten, zu den menschlichen Reitern im Zentrum vorstießen und sie mit schnappenden Beißscheren und Beinkrallen in Stücke rissen.
Auch die Männer am Boden hatten das alptraumhafte Schauspiel mit angesehen. Nun gerieten die ersten in Panik. Junis sah den Pulk auseinanderstieben, als einige der Nomaden die Flucht nach Osten ergriffen, fort von der anrückenden Dschinnschar und ihren monströsen Verbündeten.
Zugleich kam die zweite Reihe der Sturmkönige zum Einsatz, viel niedriger und wendiger als die vordere Streitmacht in ihren himmelhohen Wirbeln. Einige lieferten sich Verfolgungsjagden mit den Rieseninsekten, fauchten in wildem Zickzack über die Wüste, während andere sich auf die Dschinne konzentrierten und viele von ihnen niedermähten.
Junis zählte sechs oder sieben Schwarmschrecken. Mindestens eine hatte es nicht bis ins Herz eines Sturms geschafft; sie war außen im Wirbel zermalmt worden. Die übrigen reichten aus, um Maryams Rebellen empfindlich zu treffen. Doch Junis bezweifelte, dass sie allein ausreichten, den Dschinnen den Sieg zu schenken.
Und noch jemand hatte offenbar Zweifel – nicht an der Macht des Feindes, sondern ob diese Schlacht es überhaupt wert war, sich darin aufzureiben. Junis begriff erst, als es zu spät war, dass Maryam den Rückzug befahl. Er erkannte sie im Zentrum eines niedrigen Wirbelsturms, keine drei Mannslängen hoch: Sie gestikulierte wild mit den Armen, einstudierte Muster und Zeichen, die von anderen Sturmkönigen nachgeahmt und weitergegeben wurden.
Die Angriffsformation der Tornados zerbarst innerhalb eines Augenblicks. Abrupt fegten sie auseinander, rasten in alle Richtungen davon, um dann, in weiten Bögen, gemeinsam die Flucht nach Osten anzutreten.
Junis nahm niemandem einen Rückzug übel, wenn es keine Chance mehr gab, den Gegner zu bezwingen; er fand nichts Edelmütiges in Selbstaufopferung und sah keine Ehre in einem ausweglosen Kampf. Doch die Leichtfertigkeit, mit der Maryam die hilflosen Männer am Boden zurückließ, überstieg sein Verständnis. Die befreiten Gefangenen der Sklavenpferche hatten sich ihr anvertraut, wollten Sturmkönige werden wie sie – aber nun war kurzerhand entschieden worden, sie aufzugeben, weil sie entbehrlich waren.
Er biss die Zähne zusammen, während er mit ansehen musste, wie sich die Sturmkönige zurückzogen. Innerhalb weniger Augenblicke befand sich nichts mehr zwischen den panischen Männern im Sand und dem anrückenden Heer der Dschinne. Schwarmschrecken surrten heran, jetzt nur noch drei, achtlos über die verdrehten Kadaver ihrer Artgenossen hinweg. Und über alldem schwebte die menschliche Gestalt des Kettenmagiers, eine groteske Silhouette vor dem Sonnenuntergang, gehalten von vier Kriegern an langen, straff gespannten Eisensträngen; eine umgedrehte Marionette, deren Fäden nach unten, statt nach oben wiesen.
Junis ließ seinen Teppich über den schreienden Menschen treiben. Er weigerte sich, mit den Sturmkönigen die Flucht zu ergreifen, und geriet doch einen Moment lang in Panik, weil die Dschinne und Schwarmschrecken nun genau auf ihn zuhielten.
Keine zweihundert Schritt mehr, dann würden ihn die ersten erreichen. Alle Sturmkönige in ihren rasenden Windwirbeln befanden sich jetzt irgendwo in seinem Rücken, halb verborgen im Dunkel der anbrechenden Nacht.
Er war allein am Himmel. Unter ihm stolperte die Schar der Zurückgelassenen nach Osten. Viel zu langsam.
Dann hörte er etwas wie ein Echo aus den Tiefen eines Minenschachts.
Die entsetzliche Stimme des Kettenmagiers.
Schwarmschrecke
Es waren keine verständlichen Worte, obgleich die Kettenmagier einst Menschen gewesen waren. Sie waren Abtrünnige, hieß es, mächtige Zauberer, die sich nach dem Ausbruch der Wilden Magie und dem Verbot aller Zauberei in einigen Regionen des Kalifats auf die Seite der Feinde geschlagen hatten. Niemand wusste genau, wie viele von ihnen es gab; vermutlich nicht mehr als ein Dutzend. Die Dschinnfürsten hatten sie zu ihren Sklaven gemacht, zu scheußlichen Zerrbildern der Menschen, die sie einstmals gewesen waren.
Bisher hatte Junis geglaubt, alle Kettenmagier seien Männer. Die Stimme aber, die verzerrt zu ihm herüberdrang, war ohne Frage weiblich.
Er kniff die Augen zusammen und blinzelte angestrengt in die rote Glut über dem Horizont. Die groteske Gestalt am Ende der vier Ketten war bislang nur eine Silhouette gewesen. Nun aber
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