Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
anderswo wieder ausgespien. Am gefährlichsten für die Sturmkönige waren die Schwarmschrecken. Möglich, dass die Rieseninsekten alle besiegt waren. Junis konnte keine mehr entdecken. Und auch die Zahl der Dschinne war geschrumpft. Jibril behielt recht, die Schlacht ging ihrem Ende entgegen.
    Der Junge warf Junis einen Seitenblick zu. »Du weißt, dass sie dir den Hals dafür umdrehen wird. Du hast ihre Autorität untergraben.«
    »Sie wird’s überleben.«
    Jibril verzog die blutleeren Lippen. »Und du?«
     

     
    Im Schein eines Lagerfeuers, nahe einer trüben Wasserstelle, hatte Junis den Teppich über einen Felsen gebreitet. Er hatte seine Kleidung so gut es ging gereinigt und nass wieder übergestreift. In der kühlen Wüstennacht trocknete sie am Körper langsamer, als er gehofft hatte, und er verfluchte das stinkende Blut der Schwarmschrecke.
    Mit einer zusammengerollten Decke klopfte er Staub aus dem Teppich, als er aus dem Augenwinkel Maryam entdeckte. Mit energischen Schritten stapfte sie durch den Sand auf ihn zu, verließ das Licht eines Feuers und tauchte bald darauf im Schein des nächsten wieder auf.
    Statt ihn gleich nach der Schlacht zur Rede zu stellen, hatte sie erst bei den Verwundeten gesessen, eigenhändig Verbände angelegt und Sand aus offenen Wunden getupft. Dabei war sie keineswegs die Einzige hier, die sich auf Heilkunst verstand. Tatsächlich schienen sich die meisten Sturmkönige damit auszukennen; das harte Leben in der Einöde ließ ihnen gar keine andere Wahl. Dennoch war Maryam immer wieder um Rat gefragt worden, war von einem Wundlager zum nächsten geeilt, hatte den Verletzten gut zugeredet oder schweigend ihre Hände gehalten.
    Er wusste, was sie ihm zu sagen hatte. Er hatte all ihre Vorwürfe in Gedanken längst durchgespielt.
    »Du hast eine Schwarmschrecke erlegt«, begann sie, als sie vor ihm stehen blieb. Im Flackern des niedrigen Lagerfeuers geisterten Schatten über ihr Gesicht. »Die Männer sagen, du bist auf ihren Rücken gesprungen.«
    Er hob die Schultern – und musste mit einem gezwungenen Lächeln die Tatsache überspielen, dass ihm selbst diese winzige Bewegung Schmerzen bereitete. Sein ganzer Körper war von blauen Flecken übersät, und ein paar seiner Schürfwunden brannten entsetzlich, wo das gelbe Insektenblut hineingeraten war. »Wenn sie es sagen, wird es wohl stimmen.«
    »Du bist ein Dummkopf«, sagte sie kopfschüttelnd.
    Er hatte mehr Wut erwartet und heftigere Anschuldigungen. Stattdessen lag in ihren Zügen eine Milde, die ihn nach den unerfreulichen Gesprächen zuvor irritierte.
    »Hör zu«, sagte er und hielt ihr abwehrend die Handflächen entgegen, »ich weiß, was du sagen willst. Vielleicht hast du aus deiner Sicht sogar recht. Vielleicht ist es eine Dummheit, ein paar Männer retten zu wollen, die nichts für euren Kampf gegen die Dschinne taugen. Aber ich konnte nicht -«
    »Das hab ich gar nicht gemeint«, unterbrach sie ihn. »Darüber reden wir noch. Aber, herrje, Junis, wie kann man nur auf eine Schwarmschrecke springen!«
    Er betrachtete sie einen Moment lang verwundert, versuchte sie zu durchschauen – und scheiterte einmal mehr an ihren schönen, verschlossenen, früh gealterten Zügen. Sie war nur drei Jahre älter als er. Aber das Leben im Dschinnland hatte erbarmungslos seine Spuren hinterlassen, Fältchen um ihre Augen und eine Kerbe zwischen den Brauen, dazu noch eine schimmernde Narbe, die auf der linken Wange begann, am Hals hinablief und im Ausschnitt verschwand.
    »Ich hab das Vieh erledigt«, sagte er, »darauf kommt’s doch an, oder?« Er fühlte sich wieder wie ein Junge, wie damals, als sie die Geliebte seines großen Bruders gewesen war und er dennoch nicht anders gekonnt hatte, als sie anzuhimmeln. Auch damals hatte er sich schuldig gefühlt, und aus seinem Schuldgefühl waren Trotz und Sturheit geworden.
    »Hat Tarik dir beigebracht, so mit dem Teppich umzugehen?«, fragte sie.
    »Tarik?« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Er und ich… wir hatten unsere Schwierigkeiten in den letzten paar Jahren.«
    In ihren Augen las er, dass sie die Gründe erriet. Aber sie sagte nichts dazu, nickte nur langsam und deutete auf den ausgebreiteten Teppich. »Wir haben ihn in einer Oase gefunden, begraben im Sand. Ein Wunder, dass ihn die Käfer nicht gefressen haben.«
    »Er ist mit viel Kunstfertigkeit geknüpft worden. Ich hatte gehofft, du erlaubst mir, ihn zu behalten, auch wenn ich -«
    »Wenn du nicht zurück nach Samarkand

Weitere Kostenlose Bücher