Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
fremden Teppich. Das Muster fügte sich geschmeidig seinen Wünschen, vielleicht weil es so lange nicht mehr auf den Winden geritten war. Kriegsbeute der Sturmkönige, vermutete er. Vielleicht war der Teppich jahrelang im Wüstensand begraben oder irgendwo achtlos verstaut gewesen, unbeachtet, vergessen. Das Muster wusste zu schätzen, dass Junis sich seiner annahm und ihm sein Leben anvertraute. Nun gab es sein Äußerstes, um seinen neuen Reiter zufrieden zu stellen.
In gerader Linie schoss Junis auf die Kettenmagierin zu. Er glaubte keinen Moment lang, dass er eine Chance hatte, sie zu erreichen. Aber er hoffte, dass eine so dreiste Attacke genug Aufruhr verursachen würde, um den Männern am Boden einen Aufschub zu gewähren.
Erstaunlicherweise war die Magierin die Letzte, die erkannte, wer da auf sie zuhielt. Und was seine Absicht war. Dreißig Meter, bis er sie erreichen würde. Das Adernetz auf ihrer Haut pulsierte und pochte. Ihr ganzer Leib schien in Bewegung, als schlängele sich ein Schwarm dunkelroter Würmer um ihre Glieder. Die Adern schienen sich über- und untereinanderzuschieben, bildeten Nester unter den Achseln und um ihre Scham, ringelten sich aus ihren Mundwinkeln, fädelten sich unter den Augäpfeln in die Höhlen.
Sie stieß einen hohen Schrei aus, und sogleich platzte die Formation der Dschinne tief unter ihr auseinander. Eine Eruption purpurner Dschinnkrieger strömte aufwärts, um sie zu schützen und den tollkühnen Angreifer abzufangen. Dazu kamen jene, die es ohnehin längst auf ihn abgesehen hatten und drauf und dran waren, ihm den Weg abzuschneiden.
»Junis!« Maryams Stimme, ganz nah, aber verzerrt. »Verdammt, hast du vollkommen den Verstand verloren?«
Etwas packte ihn, aber es waren keine Dschinnklauen.
Windstöße! Ausläufer heranfegender Wirbelstürme! Und dazwischen der eine, turmhoch, aber nicht breiter als die Pylonen eines Tempels. Maryam schwebte nicht in seinem Inneren wie all die anderen Sturmkönige in ihren trichterförmigen Windhosen. Vielmehr stand sie oben auf der kreisenden Säule, freihändig, breitbeinig, in einer Hand eine Schwertlanze mit langem Schaft, um sich die angreifenden Dschinne vom Hals zu halten.
»Weg hier!«, brüllte sie ihm zu.
Junis warf den Kopf herum, blickte wieder nach vorn, der kreischenden Kettenmagierin entgegen. Er hatte sie fast erreicht. Ein Dutzend Dschinne stieg zwischen ihnen empor, verharrte auf ihrer Höhe und schwenkte Schwerter, Äxte und Nagelkeulen. Zugleich riss die Magierin die geaderten Arme auseinander, während sich die dunklen Knoten unter ihren Achseln wie Schwimmhäute spannten. Sie spreizte die Finger und rief etwas aus dem Nichts herbei, ein Flirren und Flimmern zwischen ihren Händen. Darin erschienen wimmelnde Formen, nur angedeutet, ungeboren, unfertig und doch bereits als Ahnung unendlich grässlicher als die Scheren und Hakenbeine der Schwarmschrecken.
Er wusste nicht, was sie ihm da entgegenschleudern wollte, aber es war mehr als ein Todeszauber – etwas Lebendes, ein Rudel Geister, das sie auf ihn hetzte wie Bluthunde. Ihr Kreischen alarmierte die Dschinne ihrer Garde, sie fächerten auseinander -
- und im selben Augenblick schleuderten die angreifenden Wirbelstürme Dschinnkadaver in alle Richtungen. Gleich zwei schossen taumelnd auf die Magierin zu. Sie musste ihnen ausweichen, verlor für einen Augenblick ihre Konzentration und zugleich die Kontrolle über die heraufbeschworenen Geisterwesen. Sie sprangen aus dem Nirgendwo ihrer Totenexistenz herüber in den Himmel über der Wüste, klammerten sich wie wehende Wolkenfetzen an die Kettenmagierin, schlugen mit nebelhaften Klauen nach ihr und aufeinander ein.
Junis sah nicht, was weiter geschah, denn um ihn herrschte jetzt Chaos. Dschinne starben in ganzen Rudeln, während die drei überlebenden Schwarmschrecken stumpfsinnig in die Wirbelstürme vorstießen, die Sturmkönige aus ihren schützenden Luftblasen pellten und in Fetzen schnitten. Dschinnkrieger schleuderten Lanzen auf die vermummten Lenker in ihren heulenden Windtrichtern, und einige trafen ihr Ziel. Rund um Junis sackten Wirbel in sich zusammen, verpufften zu Fontänen aus Sand und Staub und verschleierten allen die Sicht, die in diesem Inferno um ihr Überleben kämpften. Er selbst erschlug zwei Dschinne, die sich auf ihn stürzen wollten, suchte in all dem Chaos nach Maryam und fand sie nicht mehr. Auch die Kettenmagierin war hinter wallendem Wüstenstaub verschwunden. Einmal sah er
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