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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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taten, solange es nur den Dschinnen schadete. Ganz gleich, um welchen Preis. Alles folgte den Gesetzen eines höheren Schicksals, ihre Handlungen waren vorherbestimmt. Wie leicht es das machte, Dinge zu tun, die ihnen sonst zuwider gewesen wären.
    Maryam gab das Signal zum Aufbruch.
    »Reden wir im Rat darüber«, sagte sie. »Bei Sonnenuntergang müssen wir entschieden haben, was wir tun.«
     

     
    Bald darauf jagten fünf Wirbelstürme in nordöstlicher Richtung die Hänge hinab, frästen Schneisen in die Salzkrusten der Kavir und näherten sich einem vertrockneten Flussbett, das sich aus dem Winkel zwischen den Zagrosbergen im Westen und dem Elburzgebirge im Norden bis in die flirrende Ebene erstreckte.
    Junis stand im stillen Herzen eines Wirbelsturms, allein mit Jibril, der den kreisenden Trichter durch seine Gedankenkraft bändigte. Die übrigen Sturmkönige ritten eigene Tornados.
    Jeder Sturmkönig trug eine Lederschlaufe mit eingeritzten Schriftzeichen am Gürtel. Um einen Sturm heraufzubeschwören, legten sie das Band als Kreis am Boden aus, gerade mal einen Schritt im Durchmesser, traten hinein und konzentrierten sich auf die Kräfte, die augenblicklich durch ihre Körper flossen. Die Schlaufen – oder die Zeichen im Leder – dienten als Mittler zwischen Jibril und jenen, die seine Magie empfingen und daraus die Stürme erschufen. Junis, der von Kind an das Muster beherrscht hatte und auf fliegenden Teppichen geritten war, wunderte sich nicht darüber, dass diese Art von Magie existierte; vielmehr erstaunte ihn die Tatsache, dass sie ausgerechnet von einem kränklichen Jungen wie Jibril ausging.
    Er hätte den Spähtrupp auf seinem Teppich begleiten können, aber er wollte verstehen, was genau Jibril tat und wie bedeutend er wirklich für die Sturmkönige war. Mittlerweile hatte er keinen Zweifel mehr: Ohne Jibril wäre die Rebellion am Ende. Dass der Junge trotz dieser Bürde stets gelassen wirkte, niemals gereizt oder auch nur angespannt, war eines von vielen Mysterien, die ihn umgaben. Ganz zu schweigen von seiner rätselhaften Herkunft, über die keiner jemals sprach.
    Der Anblick der Toten hatte sich tief in Junis’ Erinnerung gebrannt. Wie alle anderen wollte er den Dschinnen zurückzahlen, was sie den Menschen angetan hatten. Doch einen offenen Angriff auf den Dschinnheerzug hielt er genau wie Ali Saban für einen Fehler. Gewiss, er wusste zu wenig über die Macht der Sturmkönige und ihre bisherigen Erfolge. Aber ihm gefiel weder der hasserfüllte Starrsinn Maryams noch Mukthirs blinde Überzeugung. Beides waren schlechte Voraussetzungen für einen wohlüberlegten Plan.
    Jibril bemerkte, dass er tief in Gedanken versunken war. »Du machst dir Sorgen.«
    Sie befanden sich in der ruhigen Blase im Zentrum des Sturmtrichters. Unsichtbare Wälle bewahrten sie vor den rotierenden Schwaden aus Staub und aufgewirbeltem Salz. Jibril stand breitbeinig da, die Handflächen offen nach vorn gestreckt, als hielte er zwischen ihnen eine große Kugel, die nur er selbst sehen konnte. Dabei hatte er die Augen die meiste Zeit über geschlossen; die Haut seiner Lider war hell und durchscheinend, Junis konnte die feinen Äderchen darin erkennen. Schweiß glänzte auf Jibrils haarlosem Kinderschädel. Da er keine Brauen hatte, liefen ihm die glitzernden Tropfen ungehindert über die geschlossenen Lider. Es schien ihm nichts auszumachen, so, als nutzte er andere Sinne, um die Umgebung wahrzunehmen.
    »Ich denke nur nach«, sagte Junis.
    »Ich wünschte, einige der anderen würden das häufiger tun.«
    Er blickte erstaunt auf. »Ali Sabans Einwände hast du ziemlich barsch abgeschmettert.«
    »Weil es ihm um Moral ging, nicht um Strategie.«
    »Was ist so falsch daran? Er hat recht: Gerade das sollte uns von den Dschinnen unterscheiden.«
    Jibril lächelte, ohne die Augen zu öffnen. Seine ausgestreckten Hände bewegten sich kaum merklich, als ließe er das unsichtbare Rund zwischen seinen Fingern kreisen. »Wir können sie nicht schlagen, wenn wir nicht denken wie sie. Das ist es, was sie uns angetan haben. Es geht nicht allein um all die Toten der letzten zweiundfünfzig Jahre, um die zerstörten Städte, die verwüsteten Reiche. Was sie wirklich getan haben und was um ein Tausendfaches schwerer wiegt, ist das, was Ali Saban und dir so zu schaffen macht: Wir sind jetzt wie sie. Und das können wir nicht mehr rückgängig machen, selbst wenn wir sie eines Tages besiegen sollten.«
    »Aber dagegen können wir uns

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