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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sie, flüsterte es fast.
    Ich weiß, dachte er, gab aber keine Antwort. Es war eine Entscheidung zwischen Sabatea und dem, was er von Khalis zu erfahren hoffte. Über den Dritten Wunsch. Über das, was Amaryllis solche Sorgen gemacht hatte. Es kostete ihn Überwindung, die wenigen Worte, die wichtigsten Worte, endlich auszusprechen.
    »Komm mit mir«, sagte er zu Sabatea.
    Sie antwortete nicht.
    »Ich will dich nicht noch mal verlieren.«
    »Und da denkst du, ist es eine gute Idee, ausgerechnet zurück in den Palast zu gehen?«
    »Ich hab keine andere Wahl. Und da drinnen kann ich… können wir aufeinander aufpassen.«
    Sie ließ sich Zeit, ehe sie etwas erwiderte. Aber als sie endlich wieder sprach, wusste er, dass es mehr bedeutete als das, was die Worte vordergründig besagten.
    »Ich kenne den Weg zu Khalis«, flüsterte sie. »Ich kann ihn dir zeigen.«
    Ein langes Schweigen. Nur die Berührung ihrer Hände in der Finsternis.
    Dann keuchte Nachtgesicht: »Nun habt ihr also beide den Verstand verloren.«
     

     
    Nach einem weiteren Marsch durch die Dunkelheit ließ Nachtgesicht sie allein, nahm murrend ihren Dank entgegen und verschwand ungewohnt wortkarg in der Finsternis. Sie standen da und horchten, wie seine Schritte und das Geräusch seiner Hand an der Mauer leiser wurden. Bald schon verklang beides in den unterirdischen Weiten der Tempelkatakomben.
    Sabatea schob sich eng an Tarik und nahm sein Gesicht in beide Hände. Ihre staubigen Fingerspitzen tasteten sachte über seine Züge. Dann küsste sie ihn.
    »Bevor ich dich getroffen habe«, sagte sie, »dachte ich immer, ich müsste nicht ehrlich zu den Menschen sein… Aber ausgerechnet zu dir durfte ich nicht ehrlich sein.«
    Er lächelte. »Gerade habe ich angefangen, mich daran zu gewöhnen.«
    »Ehe wir weitergehen… ehe wir da hinaufgehen… will ich, dass du alles erfährst. Die ganze Wahrheit über mich.«
    Er sagte nichts, wartete nur ab. Sie wusste genau, wie dramatisch sie klang, aber zum ersten Mal war er sicher, dass sie ihr Geschick mit Worten nicht einsetzte, um irgendein Ziel zu erreichen. Es schien der Lage einfach nur angemessen; sie wussten beide, dass dort oben im Palast ihr Verhängnis auf sie warten mochte.
    Sie küsste ihn erneut, dann begann sie leise ihre Erzählung. Sie waren in stockfinstere Schwärze gehüllt, eine Blindheit, die sie teilten und die das, was gesagt wurde, nur noch bedeutsamer machte. Sie begann mit den Dingen, die er bereits wusste – dem Plan ihres Vaters, sie als Attentäterin nach Bagdad zu schicken –, erzählte dann von ihrer Mutter Alabasda, die der Emir als Geisel missbraucht hatte, um sie gefügig zu machen. Sie behauptete, keine Liebe für Alabasda zu empfinden, aber es gehörte nicht viel dazu, aus ihrem Tonfall das Gegenteil herauszuhören. Vielleicht war es etwas, das nur entfernt mit den Gefühlen einer Tochter für ihre Mutter verwandt war. Zweifellos aber wog es schwerer als bloßes Verantwortungsgefühl oder moralische Verpflichtung.
    Später schliefen sie miteinander im Dunkel der Tempelkavernen, wo sie einander nicht sehen, nur ertasten konnten, wo alles Berührung war, wo alles gefühlt und erspürt werden musste. Nie zuvor war ihm das Zusammensein mit einer Frau so intensiv und ernsthaft erschienen, nie zuvor hatte er das Gefühl gehabt, jemandem ohne Worte so viel von sich zu offenbaren und selbst so viel dafür zurückzuerhalten.
    Ob es für sie eine Zukunft gab, war eine müßige Frage. Vielleicht würden sie beide sterben, noch heute, auf der Suche nach Antworten, die nichts als neue Fragen bargen. Oder sie würden alles erreichen, das sie sich vorgenommen hatten, und dann erkennen, dass ihre Empfindungen füreinander unwichtig wurden angesichts der wahren Größe und Entsetzlichkeit ihrer Feinde. Aber im Augenblick hatte das keine Bedeutung.
    Sie lagen eng umschlungen auf dem harten Stein, unter sich nur ein Lager aus abgestreiften Kleidern, neben sich die Wand, der sie später folgen sollten, um den Aufgang zum Palast zu finden. Ihre Lippen fanden zueinander, liebkosten Wangen und Hals, saugten sich fest an nackter Haut.
    Sie folgte mit den Fingerspitzen den Muskelsträngen seiner Arme, berührte alte und neue Narben, Erinnerungen an Dutzende Kämpfe draußen im Dschinnland, an Siege, die doch alle nichts zählten gegen die eine große Niederlage. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er sich all die Jahre über an seinen Schmerz geklammert hatte, wie andere sich an vergangenen

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