Sturmrappe — Der Außenseiter (German Edition)
seinem Auto. Eine ziemliche Dummheit. Ich bin zu einem Freund gefahren und wir haben getrunken und dann an der Schule ein paar Scheiben eingeschlagen. Die Polizei hat uns erwischt und wir wurden verhaftet.“ Er schaut wieder auf das Protokoll. „Mein Stiefvater hat darauf bestanden, mich wegen Körperverletzung und Autodiebstahls anzuzeigen und die Polizei war natürlich nicht gerade begeistert von unserem Vandalismus. Und dem Widersetzen der Verhaftung … das wusste ich gar nicht mehr.“
Bills Gesicht ist teilnahmslos. „Und wie ging es aus?“
„Wie es ausging? Ähm, wieder eine Absprache, glaube ich. Ich bin wieder acht Monate im Jugendgefängnis gelandet und war dann auf Bewährung.“
„Und haben Sie die Arbeitsstunden dafür abgeleistet?“
Darüber hatte Dan nicht nachgedacht. „Nein, das habe ich wohl nicht. Ich war danach ganze fünf Minuten lang zu Hause, um ein paar Klamotten zu holen, und dann habe ich die Stadt verlassen. Ich sollte wohl irgendeine gemeinnützige Arbeit leisten und mich, glaube ich, beim Sozialarbeiter melden.“ Er zuckt die Schultern. „Aber sie haben meine Akte versiegelt … zumindest theoretisch … also haben sie wohl über die nicht eingehaltenen Bewährungsauflagen hinweggesehen, oder?“
Bill zuckt die Schultern. „Sieht wohl so aus. Damit wären wir also am Ende unserer Nachforschungsergebnisse, was Ihre Einträge im Jugendstrafregister angeht. Möchten Sie noch etwas hinzufügen oder richtigstellen?“
„Nein, ich glaube nicht.“ Wenn das alles war, ist Dan erleichtert. Doch dann wirft er einen Blick auf die Mappe und sieht, dass sie noch lange nicht leer ist …
Bill reicht ihm mehrere zusammengeheftete Seiten. „Das ist alles, was wir zu Ihren Aufenthaltsorten und Aktivitäten vom Zeitpunkt des Verlassens der Jugendstrafanstalt bis heute herausgefunden haben. Könnten Sie es bitte durchsehen und uns auf Irrtümer oder Lücken hinweisen?“
Es dauert eine Weile, bis Dan alles durchgeblättert hat. „Meine Güte – wie haben Sie das alles bloß herausgefunden? An das meiste hätte ich mich selbst nicht erinnert!“
Bill lächelt und es wirkt aufrichtig. „Wir sind eben ziemlich gut in unserem Job. Und wegen Ihrer besonderen Position, die Ihnen Zugang zur Familie erlaubt – Ihr Haus auf dem Grundstück, Ihre unbeaufsichtigte Arbeit mit Miss Kaminski – waren wir besonders gründlich.“
„Ja, offensichtlich!“ Er blättert sich durch die Seiten, eine chronologische Abfolge von Adressen, Arbeitgebern, sogar Freunden und Liebhabern. Es fühlt sich an, als wäre sein Leben für jedermann sichtbar ausgebreitet worden. Es ist ein wenig beängstigend und er vermutet, dass das Bills und Neils Ziel war. Er hebt den Blick. „Wie gesagt, ich kann mich nicht an alles erinnern, aber es sieht vollständig aus.“
„Es gibt mehrere Lücken – Abschnitte, zu denen wir weder eine Adresse noch eine Anstellung finden konnten. Vor allem in den ersten Jahren. Könnten Sie uns da vielleicht weiterhelfen?“
Dan schaut wieder hinunter. Es ist, als würde er ein altes Fotoalbum ansehen, nur mit der umgekehrten Wirkung: Anstatt ihn an schöne Momente und geliebte Menschen zu erinnern, wird ihm hier eine Aufzeichnung der schlimmsten Jahre seines Lebens vor Augen geführt. Seine Finger wandern unbewusst zum ersten Eintrag hinauf und suchen Trost in seiner letzten Anschrift: die Wohnung über dem Stall in Kentucky. Auch Justins Name steht dort und daneben zwei Datumsangaben. Dan erkennt sofort den Tag seines Unfalls und den seines Todes wieder. Dann bewegt sich Neil auf seinem Stuhl und Dan konzentriert sich wieder auf die älteren Seiten, um nach den Lücken zu suchen.
„Ich glaube, was die meisten Lücken angeht, bin ich wohl rumgereist, habe bei anderen Leuten übernachtet oder in einem Asyl … wenn es warm war, habe ich manchmal draußen geschlafen.“
Bill nickt. „Und in den Zeitabschnitten ohne feste Anstellung – woher haben Sie das Geld zum Leben genommen?“ Sein Tonfall ist bewusst unvoreingenommen, aber Dan ist klar, wonach er wirklich fragt.
„Ich habe nie ein Leben als Krimineller geführt. Ich … ich weiß nicht, ich habe vielleicht ein paar Kleinigkeiten in Läden mitgehen lassen.“ Dan ist kurz davor zu sagen, dass er sich zwar nie für Sex hat bezahlen lassen, aber von den Leuten, mit denen er geschlafen hat, gern eine Mahlzeit und einen Schlafplatz angenommen hat, doch dann beschließt er, dass Bill das nicht zu wissen braucht. Falls er
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