Sturmrappe — Der Außenseiter (German Edition)
kann ihn durch das Telefon tief durchatmen hören. Als er weiterspricht, ist seine Stimme fester. „Justin hatte heute Nachmittag einen Herzinfarkt. Er hatte wohl eine Infektion, sie hat sich ganz plötzlich entwickelt, und die Belastung war einfach zu viel für seinen Körper.“ Dan weiß, was jetzt kommt, aber er stellt fest, dass er trotz allem erst die Worte hören muss. Er wartet, und irgendwann redet Chris weiter: „Er ist von uns gegangen, Dan. Es ging ganz schnell. Er musste nicht leiden.“ Dan nickt, bevor ihm klar wird, dass Chris ihn nicht sehen kann. Es scheint keine Rolle zu spielen, denn Chris spricht trotzdem weiter: „Seine Eltern sind bei ihm. Eigentlich wollten sie dich selbst anrufen, aber sie sind völlig fertig. Ich soll dir sagen, dass sie sich später heute Abend bei dir melden.“ Dan nickt wieder. „Dan, bist du noch dran? Danny?“
Dan reißt sich zumindest ein bisschen zusammen. „Ja, ich höre dich.“
„Okay, du musst also nach Hause kommen, ja? Ich meine, es eilt nicht wegen … du weißt schon, der Trauerfeier und so. Aber …“
„Ja.“ Dan stellt fest, dass er weint. Sonderbarerweise hört sich seine Stimme gar nicht danach an. Sein Gehirn fühlt sich taub an, fühlt sich an, als würde das alles ganz, ganz weit weg passieren. Dan war eineinhalb Tage nicht zu Hause und Justin musste allein sterben.
„Dan, ist irgendjemand bei dir? Vielleicht jemand, mit dem ich über Flüge sprechen könnte?“ Dan kann ihm nicht folgen. Was hat Chris mit Flügen zu tun? Aber er möchte eigentlich sowieso nicht länger mit Chris reden. Er dreht sich um und sieht, dass Jeff ein paar Meter entfernt wartet. Evan hat den Arm um Tatianas Schultern gelegt, und die beiden geben vor, zum Haus hinunterzuschauen. Dan hält Jeff das Handy hin und Jeff kommt näher und nimmt es ihm ab. Er hält es sich mit der einen Hand ans Ohr und legt die andere auf Dans Schulter.
„Hallo, hier ist Jeff Stevens. Ja … Ja.“ Jeff stellt sich dichter neben Dan. „Ja, wir werden uns darum kümmern … Okay … Ja, wir rufen zurück, sobald alles geregelt ist … Okay, bis dann.“
Jeff klappt das Handy zu und steckt es in die Tasche, dann dreht er sich um, so dass er direkt vor Dan steht. „Es tut mir leid“, sagt er mit seiner tiefen Stimme. Dan weiß, dass er es ernst meint, aber er weiß auch, dass es keine Rolle spielt, dass es nichts ändert. Es könnte der ganzen Welt Leidtun und Justin wäre trotzdem tot.
Dan ist sich nicht sicher, was er jetzt sagen oder empfinden soll. Einen Moment lang schaut er auf, sieht die wunderschönen geschwungenen Hügel, die Berge in der Ferne, die warme Nachmittagssonne – und plötzlich hasst er das alles, hasst den Gedanken, dass Justin nie wieder etwas so Schönes sehen wird, nie wieder irgendetwas sehen wird. Er hatte geglaubt, er hätte sich mit dem Gedanken an Justins Tod abgefunden. Er hatte sich eingebildet, dass es erträglich wäre, wenn er sich nach und nach verabschieden konnte, so wie er es geplant hatte. Aber er hat sich etwas vorgemacht; nichts kann schwerer sein als das hier. Langsam kippt er vornüber, als könnten seine Beine ihn nicht länger tragen, aber Jeff ist da, seine starken Arme stützen Dans Schultern, und Dan lehnt sich an ihn, lässt den Kopf gegen Jeffs Brust fallen. Jeff hebt eine Hand, streicht Dan damit durchs Haar, und so stehen sie dann für eine – so scheint es Dan – sehr lange Zeit. Einmal ist Evan kurz bei ihnen, und Jeff spricht leise mit ihm, doch dann ist Evan wieder fort und er ist allein mit Jeff.
Irgendwann hebt Dan schließlich den Kopf. Er wischt sich mit dem Ärmel das Gesicht sauber, was ziemlich eklig ist, aber er hat kein Taschentuch. Er sieht Jeff an. „Ich sollte gehen.“
Jeff nickt langsam und streicht Dan mit einer sanften Berührung das Haar aus dem Gesicht. „Evan ist schon vorausgegangen. Er wird Linda sagen, dass sie deinen Flug umbuchen soll. Wenn du so weit bist, sollten wir auch runtergehen und deine Sachen packen.“
Dan weiß nicht, ob er so weit ist, weiß nicht, ob er jemals so weit sein wird. Aber wenn Jeff das für richtig hält… Dan richtet sich auf, und Jeff tritt an seine Seite und legt ihm einen Arm um die Schultern. Das Gelände ist eigentlich zu uneben, um so zu gehen, aber Dan denkt nicht daran, zu protestieren, und Jeff lässt ihn nicht los.
Es ist seltsam, denselben Hügel hinunterzugehen, den sie gerade heraufgekommen sind. Als sie heraufkamen, war Justin noch am Leben. Doch das
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