Sturmrappe — Der Außenseiter (German Edition)
sich mit einem Ruck von diesen Gedanken los. Er wird den Tag von Justins Beerdigung nicht damit beginnen, an einen anderen Mann zu denken. Er tauscht im Schlafzimmer die Trainingshose gegen die Jeans vom Vorabend und entdeckt ein nicht allzu schmutziges Sweatshirt und ein sauberes Paar Socken. Auf dem Weg zurück in die Küche klingelt das Telefon und er nimmt ab, ohne die Anruferkennung zu überprüfen. „Hallo?“
„Dan? Hier ist Robyn. Ich wollte nur noch mal nachfragen, ob du dich wirklich um die Pferde kümmern kannst.“
„Ja, das habe ich doch gesagt. Meine Güte, so unzuverlässig bin ich nun auch wieder nicht. Geh wieder ins Bett.“
„Ganz sicher, Danny? Es wäre wirklich kein Problem.“
Dan hält das Telefon an die Kaffeemaschine und wartet, bis sie gurgelt, dann hebt er es wieder an sein Ohr. „Hörst du das? Der Kaffee ist fast fertig. Und das hier?“ Er hebt einen seiner Stiefel und stampft damit auf den Boden. „Stiefel, die angezogen werden. Und das Nächste was du hören wirst, ist das Freizeichen, weil ich jetzt auflege, okay?“
„Ja, okay.“
Dan hängt auf, zieht seine Stiefel an und gießt den Kaffee in eine Thermoskanne. Sobald seine Hand die Stalltür berührt, fangen die Pferde an zu brummeln, in ihren Boxen von einem Bein aufs andere zu treten und mit den Köpfen zu schlagen. „Ihr seid solche Schauspieler“, teilt Dan dem ganzen Stall mit. „Tut nicht so, als würdet ihr verhungern.“ Er rollt die Heukarre auf die Gasse und beginnt am hinteren Ende, wirft ein paar Rippen Heu in jede Box und hat dabei für jedes Pferd ein paar freundliche Worte. Nach dem Heu kommt das Kraftfutter, das, was die Pferde wirklich wollen. In den Boxentüren lassen sich direkt über den Futtertrögen kleine Öffnungen aufklappen, so dass Dan an jedes Pferd die richtige Portion verteilen kann, ohne die Boxen zu betreten und so dauert es nicht lange, bis die ganze Stallgasse versorgt ist.
Als alle Pferde gefüttert sind, weicht das aufgeregte Brummeln friedlichen Kaugeräuschen. Die halbe Stunde, die es ungefähr dauert, bis sie fertig gefrühstückt haben, ist für denjenigen, der sich um sie kümmert normalerweise eine Pause. Zwar können Vorräte überprüft und nachgefüllt und der Reitplan für den Tag ausgearbeitet werden, aber in Bezug auf die Pferde selbst gibt es nichts zu tun. Wenn Dan und Justin für die Morgenfütterung eingeteilt waren, nutzten sie diese Zeit, um rumzuknutschen. Nicht mit weiterführenden Absichten wie einer größeren Sexszene, sondern einfach nur, um sich an die Wand gelehnt aneinander zu pressen, erneut den Körper des anderen und den Geschmack seines Mundes zu spüren. Hin und wieder hielten sie dann inne, um zu reden und zu lachen und Dan hatte es geliebt, sich mit dem Gesicht in Justins Halsbeuge zu schmiegen und ihn einfach einzuatmen, den Duft seiner Haut, der aus irgendeinem Grund stärker war als der strengere Stallgeruch. Manchmal vergaßen sie alles um sich herum und gingen zu weit und aus etwas Ruhigem, Friedlichem wurde etwas Heftiges und Leidenschaftliches, aber meistens gelang es ihnen, sich nach einem letzten Kuss voneinander zu trennen und wieder in die Realität außerhalb ihrer eigenen kleinen Welt zurückzukehren.
Dan ist sich nicht sicher, was er da tut, ob er sich zu sehr gehen lässt, indem er sich wieder erlaubt zu trauern. Er weiß, dass er sich davon abhalten könnte, wenn er es wirklich müsste. Dass er es nicht zulassen würde, wenn er nicht allein wäre. Aber an all das zu denken, auch wenn es ihn traurig macht, ist beinahe ein gutes Gefühl, wie auf einen Bluterguss zu drücken, oder an einem lockeren Zahn zu wackeln. Er lehnt sich an die Wand, lässt seinen Kopf nach hinten fallen und stellt sich Justins Gesicht vor, so nah an seinem eigenen, dass es verschwamm, wie er Dan berührte und liebkoste, seine Hände überall, immer in dem Bewusstsein, dass Dans Körper ihm gehörte und sein Körper Dan. Manchmal war es fast, als würden sie miteinander verschmelzen, so eng miteinander verbunden, dass sie nicht mehr sicher sein konnten, wo der eine von ihnen aufhörte und der andere begann.
Dan weint wieder, aber muss ein bisschen Lächeln, als er an Chris‘ Warnung mit dem Austrocknen denkt. Er lässt eine Hand an seinem Hals entlang und über seine Brust gleiten, langsam und bestimmt, ganz wie Justin es getan hätte, aber es ist nicht dasselbe. Natürlich ist es nicht dasselbe, es wird nie wieder dasselbe sein. Er weiß, dass er immer
Weitere Kostenlose Bücher