Sturmrappe — Der Außenseiter (German Edition)
Verärgerung an, als er vor ihnen her zu einem Raum im hinteren Teil der Kirche stürmt. Dan wirft Chris einen Blick zu, der daraufhin nur die Schultern zuckt, und flüstert: „Es ist ja nicht so, als hätte Justin noch andere Pläne.“
Dan rollt die Augen und es macht wahrscheinlich keinen guten Eindruck, dass sie beide leise kichern, als sie in den Raum geführt werden, in dem Justins Eltern mit dem Pastor, umgeben von allen Tanten und Onkeln, sitzen. Molly straft sie mit einem strengen Blick, aber Karl lächelt, als er aufsteht, um sie dem Pastor vorzustellen.
„Paul, das sind Chris und Dan. Sie sind Freunde von Justin.“ Karl scheint klar zu werden, dass der Begriff die Situation nicht ganz treffend beschreibt, doch Dan ist ausnahmsweise damit zufrieden. Der Begriff ist zwar ungenau, aber er verhindert auch die seltsame Hierarchie der Trauer, über die Dan nachgedacht hatte, und macht deutlich, dass Chris genauso viel Grund hat, traurig zu sein wie er. Dan wird vielleicht nie mehr eine Liebe wie Justin finden, aber dafür wird Chris wahrscheinlich nie wieder einen Freund wie ihn haben.
Der Pastor nickt freundlich und legt eine Hand auf Dans Arm. „Ich habe es gestern Abend nicht zur Totenwache geschafft, aber ich war nachmittags da und habe eines der Fotos gesehen. Ihr wart offensichtlich ein sehr liebevolles Paar.“ Dann wendet er sich an Chris: „Und ich glaube, von dir habe ich auch ein paar gesehen … warst du der kleine Satansbraten im Fußballtrikot mit den Eiern in der Hand?“
Chris grinst. „Justin hat damit angefangen.“
Der Pastor nickt übertrieben verständnisvoll. „Aber natürlich hat er das.“ Dann lächelt er und wendet sich ernsteren Themen zu. Er geht mit ihnen den Ablauf des Gottesdienstes durch und erklärt ihnen, was wann von ihnen erwartet wird. Dan nickt, wenn er es für angebracht hält, auch wenn er nicht richtig zuhört.
Er weiß, dass Justin als Kind zumindest gelegentlich diese Kirche besucht hat, aber in der Zeit, in der Dan ihn kannte, war er nie dort gewesen. Und Dan hat eigentlich nie eine Kirche besucht. All diese praktischen Überlegungen, wer wann wo sitzt, gemischt mit beiläufigen Bemerkungen über die Liebe Gottes und ewiges Leben, ergeben eine sonderbare Kombination. Dan fragt sich, ob Gott sich wirklich dafür interessiert, wer in der ersten, zweiten oder dritten Reihe sitzt. Er ist ziemlich sicher, dass Justin es nicht tut.
Er ist ein bisschen erleichtert zu hören, dass es keine Sargträger geben wird, da sich in der Kirche einfach zu viele Stufen befinden, aber alles andere zieht einfach an ihm vorbei, und er versucht nicht einmal zuzuhören. Wenn irgendetwas von ihm erwartet wird, erinnert ihn bestimmt jemand daran.
Schließlich hat der Pastor alles gesagt und der Bestatter beginnt, sie aufzustellen. Er stellt Dan an seinen Platz in der Reihe und rückt ihm die Krawatte zurecht und Dan starrt ihn nur an. Er fragt sich, ob der Mann Menschen in einem seltsamen Licht sieht, ob er sich so sehr daran gewöhnt hat, jeden von seiner schlechtesten Seite zu sehen, dass er glaubt, Leute wären einfach ständig weinerlich und verstört. Die Reihenfolge unterscheidet sich nicht groß von der Totenwache, nur dass er diesmal neben Chris steht, was die Sache unendlich viel erträglicher macht.
Dan kann von irgendwoher Musik hören, langsame, getragene Orgelmusik, die mit Justin nicht das Geringste zu tun hat. Der Pastor steht neben der Tür, als der Bestatter sie alle hinausschickt, und sein Gesichtsausdruck ist freundlich. Er wirkt wie jemand, mit dem Dan reden könnte, wenn er etwas zu sagen hätte.
Sie schlängeln sich in den Altarraum und die Leute drehen sich zu ihnen um. Direkt vor Dan befindet sich Karl und er ist ziemlich groß, also versucht Dan, dicht hinter ihm zu bleiben und sich ein wenig zu ducken. Sie kommen bei ihren Plätzen an und Dan ist froh darüber, in der ersten Reihe zu sitzen, wenn auch nur aus dem Grund, dass dort niemand sein Gesicht sehen kann.
Der Sarg steht da, doch Dan fühlt sich dem, was darin liegt, genauso wenig verbunden wie am Vortag. Wenn Dan sich ein greifbares Andenken an Justin wünscht, wird er es wahrscheinlicher irgendwo im Stall finden. Er denkt an die Hindernisse, die er mit Justin gebaut hatte, die Zäune, die sie reparierten, und das Dach der Archers, dass sie im Sommer vor drei Jahren neu gedeckt hatten. Doch all das wird bald abgerissen werden, zerstört durch die Bulldozer der Bauunternehmer.
Dann denkt Dan an
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