Sturms Flug
schleifte sie die wenigen Schritte zur Zelle hinüber, deren Tür passenderweise offen stand.
»Zelle acht ist richtig, stimmt’s?«, fragte sie sarkastisch.
Moni war immer noch benommen und ließ sich die Waffe aus dem Holster ziehen.
Letzter Verstoß gegen die Gewahrsamsordnung. Waffen hatten im Zellentrakt und deren gesamtem Umfeld nichts zu suchen, sondern mussten vor dem Betreten in eigens dafür vorgesehenen Schließfächern deponiert werden. Wie sinnvoll diese Vorschrift war, zeigte sich in diesem Augenblick.
Krachend fiel die Zellentür ins Schloss. Seit O Soto Garis großem Auftritt waren keine dreißig Sekunden vergangen.
Moni hatte endlich ihre Sinne wieder beisammen und schrie wie eine Besessene um Hilfe. Das war natürlich zwecklos, denn selbst wenn ihr Geschrei bis in den Wachraum zu hören war, würde sich niemand darum scheren, da es keine Seltenheit war, dass Gefangene herumpöbelten und brüllten.
Das Geschrei wirkte offenbar ansteckend, denn auch die übrigen Zelleninsassen fingen an, Bambule zu machen , wie es in der Gaunersprache hieß.
Blitzschnell rannte Mara in den Visitationsraum, um ihre Sachen an sich zu nehmen, insbesondere die Ohrringe. Ihr verletzter Knöchel war geheilt. Das heißt, er schmerzte, da er bei dem Sturz vom Motorrad tatsächlich etwas abbekommen hatte, doch das war nicht halb so schlimm, wie sie vorgegeben hatte.
Mit gezogener Waffe stürzte sie in den Wachraum.
Dort saß Monis Begleiter am Funktisch, während sich Anselm daneben einen Stuhl zurechtgerückt hatte und kaute.
»Keine Bewegung, ihr Flachpfeifen!«, schnauzte sie. »Sonst knallt’s!«
Obwohl sie nichts gegen die Beamten hatte, natürlich nicht, musste sie dennoch den Eindruck grimmiger Entschlossenheit erwecken. Entsprechend ruppig war ihr Auftreten.
Nur wenige Minuten später hatte Zelle acht zwei weitere Insassen und Mara zwei weitere Dienstpistolen, die sie gemeinsam mit der von Moni erbeuteten auf den Funktisch legte. In Zukunft, dachte sie, wird man auf dieser Wache mehr Gewicht auf die Einhaltung der Gewahrsamsordnung legen.
Dann eilte sie hinaus.
Zum Rendezvous mit Asad Aidid.
Kapitel 32
Wie erwartet, hatte das Funkgerät Asads Wutausbruch nicht überstanden, und als er das herausfand, war das der Auslöser für einen weiteren Wutausbruch gewesen.
Inzwischen hatte er sich halbwegs wieder beruhigt. Er stand in der Bordküche, breitbeinig, den Blick nach unten gerichtet, die Maschinenpistole in den Händen. Vor ihm, auf den Knien, kauerte ein Häuflein Mensch, das zitterte wie Espenlaub.
Noch drei Minuten bis zum Ablauf des Ultimatums, doch von einem Gepäckwagen mit Benzinkanistern war weit und breit nichts zu sehen. Das wusste er genau, da er in den letzten Minuten im Dreißig-Sekunden-Takt ins Cockpit gestürmt war und aus dem Fenster gespäht hatte.
Fluchend griff er in den Rucksack, der einmal das Handgepäck eines Passagiers enthalten hatte. Mittlerweile befanden sich darin die Mobiltelefone der Fluggäste, die zuvor von Grietje und ihrer Kollegin eingesammelt worden waren. Er fischte das erstbeste Gerät heraus, schaltete es ein und fragte Ernestine nach der Telefonnummer der Polizei.
»Eins-eins-null«, lautete die Antwort. »Aber Sie müssen …«
Mit einer herrischen Handbewegung gebot er ihr zu schweigen. Dann hantierte er ungelenk an dem Gerät herum, bis er herausgefunden hatte, wie der Lautsprecher aktiviert wurde. Als das geschafft war, drückte er drei Zifferntasten und steckte das Gerät anschließend in die Brusttasche seines Hemdes.
»Polizei-Notruf«, meldete sich eine angenehme Frauenstimme.
»Ich will mit Grillo sprechen«, verlangte Asad auf Englisch.
Kurzes Zögern, bevor es in schlechtem Englisch zurückkam. »Wer ist Grillo? Und wer sind Sie? Möchten Sie einen Notfall melden?«
Es lag auf der Hand, dass die Beamtin nicht in der Krisenzentrale des Flughafens saß und auch nicht in der Flughafenwache, sondern in der Einsatzleitstelle des nächstgelegenen Polizeireviers. Dort wusste man in groben Zügen um die Vorgänge auf dem Köln Bonn Airport, doch dass der Einsatzleiter Grillo hieß, war nicht bekannt.
Asads Nerven lagen blank. »Nein, ich will keinen verdammten Notfall melden, du blöde Kuh! Ich will mit Grillo sprechen, und zwar plötzlich! Sag der Schwuchtel, dass die Zeit allmählich knapp wird! Er hat noch … zwei Minuten!«
»Was ist passiert?«, vernahm man eine offenkundig verunsicherte Beamtin, die bestenfalls die Hälfte von Asads Worten
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