Sturms Flug
die Stellplätze vor dem Gebäude waren allesamt leer. Vermutlich, überlegte sie, wurde das gesamte verfügbare Personal für die Räumungs- und Absperrmaßnahmen benötigt. Zicke und ihr Kollege schienen die Einzigen zu sein, die noch für das normale Tagesgeschäft zur Verfügung standen. Hoffnung regte sich in ihr.
Die Wache war hässlich. Untergebracht in einem grauen, plattgedrückten Betonklotz, der aus den 1970er Jahren stammen musste und seitdem nicht mehr renoviert worden war, lag sie rund fünfhundert Meter entfernt vom eigentlichen Flughafengebäude, flankiert von Parkhäusern für Urlauber sowie von Brachfeldern, die um diese Jahreszeit, im Winter, besonders trostlos wirkten.
»Mach schon, Beeilung!«, befahl Zicke, die offenbar gern herumkommandierte.
»Sie haben gut reden, ich kann kaum stehen, geschweige laufen.«
»Musst du auch nicht. In unseren Zellen gibt’s Pritschen, auf denen man sitzen oder liegen kann, ganz nach Wunsch.«
Mara machte sich mittlerweile einen Spaß daraus, die Beamtin zu siezen, obwohl diese sie konsequent duzte. Das mutete umso abstruser an, da die Zicke in Uniform gut zehn Jahre jünger war als sie selbst. Der Polizist hatte bisher noch kein einziges Wort gesprochen. Allerdings deutete sein missmutiger Gesichtsausdruck darauf hin, dass er seine Kollegin nicht sonderlich mochte und ihr Benehmen noch weniger.
Sie betraten das Gebäude und gingen durch einen kurzen Flur, an dessen Ende sich eine Panzerglasscheibe befand. Hinter der saß normalerweise ein Beamter, der entschied, wer hineingelassen wurde und wer nicht. Doch der Platz hinter der Scheibe war verwaist, und so musste Zicke einen Zugangscode in das elektronische Schloss neben der Tür eingeben. Ein Brummen ertönte, dann schwang die Tür auf.
Maras Hoffnung erhielt zusätzliche Nahrung, als sie durch leere Gänge geführt wurde, vorbei an leeren Büros in einen fast leeren Wachraum.
Dort befand sich nur eine Person, ein ungemein beleibter Beamter, der hinter einem Pult thronte, das mit modernster Technik vollgestopft war, darunter nicht weniger als vier Flachbildschirme und ebenso viele Telefone, außerdem ein Funkgerät, das von Zeit zu Zeit ein Rauschen von sich gab.
Als er seine beiden Kollegen erblickte, erhob er sich schwerfällig. »Da seid ihr ja endlich. Kann einer von euch kurz auf den Funk aufpassen? Ich habe heute noch nichts gegessen und möchte mir schnell ein paar Eier in die Pfanne hauen.«
»Ist denn sonst keiner mehr hier?«, fragte die Zicke.
»Nee, alle ausgeflogen. Wir drei sind die letzten Mohikaner.« Er bedachte Mara mit einem abschätzigen Blick. »Wer ist das? Neuzugang?«
Zicke nickte und wandte sich an ihren Begleiter, der immer noch kein Wort gesprochen hatte. »Übernimm du den Funk, dann kann Anselm etwas essen, bevor er uns vom Fleisch fällt. Ich kümmere mich um die hier.«
Mit die hier war Mara gemeint.
Anselm runzelte die Stirn. »Bist du sicher, dass du das allein …«
Zicke winkte ab. »Klar, die ist vollkommen harmlos. Lass es dir schmecken.«
Das war ein klarer Verstoß gegen die Gewahrsamsordnung, denn dort war unmissverständlich festgeschrieben, dass beim Umgang mit einem Gefangenen mindestens zwei Beamte anwesend sein mussten. Ausnahmen sah die Gewahrsamsordnung nicht vor.
Anselm bedankte sich überschwänglich. »Moni, du bist ein Schatz!« Sprach es und verschwand im Aufenthaltsraum, wo eine schicke Küchenzeile eingebaut war, wie Mara durch die offene Tür sehen konnte.
Dann wurde sie von Moni in den Gewahrsamstrakt geführt.
Der beherbergte acht Zellen, von denen sechs belegt waren, wie man an den Schuhen der Insassen erkennen konnte, die vor den Türen standen. Neben der letzten Zelle befand sich der Visitationsraum, ein kleines fensterloses Zimmerchen, in dem die Gefangenen vor dem Wegschluss durchsucht wurden. Das diente vor allem dazu, sicherzustellen, dass sie keine Gegenstände mit sich führten, die dazu geeignet waren, sich oder andere zu verletzen.
Moni ließ sich auf einem Höckerchen nieder, das zusammen mit einem winzigen Tisch das einzige Mobiliar darstellte. Auf dem Tisch lag ein Stapel mit Formularen, daneben standen drei Plastikbehälter.
»Nimm dir einen Korb«, befahl sie, »und tu den Inhalt deiner Taschen hinein. Alles leer machen, Taschen auf links drehen! Ich werde die Sachen hier auflisten. Anschließend erhältst du einen Durchschlag, den du unterschreiben wirst.«
»Wozu das?«, fragte Mara, obwohl sie die Antwort genau
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