Sturms Flug
verstanden hatte. »Wer sind Sie? Nennen Sie Ihren Namen!«
Da schaltete sich der Pilot ein, der unverändert im Cockpit auf seinem Platz saß und alles mitbekam. Auf Deutsch rief er dazwischen: »Mein Name ist Christiaan van de Merwe, ich bin der Pilot des entführten Flugzeuges. Ich flehe Sie an, stellen Sie zur Einsatzleitung des Airports durch. Der Verantwortliche dort heißt Grillo. Schnell!«
Man hörte das laute Atmen der Polizistin. »Ich kann nur hoffen, dass dies kein Scherz ist«, sagte sie. »Bleiben Sie dran!«
Inzwischen waren noch knapp neunzig Sekunden übrig, doch außer Knacken und Rauschen blieb der Lautsprecher des Telefons stumm.
Dann endlich meldete sich Grillos Räusperstimme. »Hoheit?«
»Wurde auch Zeit, Schwuchtel!«
Er bedeutete der Geisel zu seinen Füßen, sich nicht zu rühren. Anschließend rannte er abermals ins Cockpit, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Das Bild war unverändert.
»Ich sehe nirgends einen Gepäckwagen mit Benzinkanistern, Grillo. Willst du mich zum Narren halten?« Er kehrte zu der Geisel zurück und drückte ihr die Mündung der MP i gegen die Stirn.
»Nein«, beteuerte Grillo, »will ich nicht. Ich will verhandeln. Und dazu gehört Geben und Nehmen. Sie aber wollen nur nehmen. Doch wenn ich Ihnen das Benzin geben soll, müssen Sie mir ebenfalls etwas anbieten.«
Anstatt erneut aufzubrausen, senkte Asad die Stimme, bis er fast flüsterte. Das klang noch gefährlicher als sein ständiges Gebrüll. »Grillo, du bist ein verdammter Karussellfahrer, weil du dich andauernd im Kreis drehst. Geht es dir nicht allmählich selbst auf den Sack, dich ständig zu wiederholen? Kapier endlich, dass ich mit dir nicht verhandeln werde. Ich bestimme, und du gehorchst, so läuft das. Vor mir hockt ein schlotterndes Nichts, das jetzt noch genau fünfundvierzig Sekunden zu leben hat.« Plötzlich schrie er wieder. »Du sollst beten, Schwuchtel!« Diese Worte galten offenbar dem Nichts.
Atemlose Stille.
»Der Lauf meiner Maschinenpistole zeigt genau auf den Kopf eines schwulen Geigers«, verkündete Asad. »Wenn ich den Finger krümme, spritzt sein Gehirn gegen die Wand. Ich will das Benzin!«
Grillo zögerte. »Sie sind Asad Aidid, richtig? Omar Aidids Bruder. Hören Sie, schlagen Sie sich den Gedanken aus dem Kopf, dass ich Ihnen vierhundert Liter Benzin gebe, damit Sie ein Inferno entfachen können. Ich bin nicht erpressbar. Das ist mein letztes Wort.«
Als Lohmann die Krisenzentrale betrat, herrschte Totenstille.
Alle lauschten gespannt, manche kauten an den Fingerknöcheln, andere spitzten mit schräg gelegten Köpfen die Ohren. Einer spielte mit seinem Kugelschreiber herum, der ihm dabei entglitt und zu Boden fiel. Das bescherte ihm ein halbes Dutzend giftiger Blicke.
Eine Stimme, die aus einem Lautsprecher kam, erfüllte den Raum: »Habt ihr also herausgefunden, dass ich Omars Bruder bin! Schön für euch. Das ändert allerdings nicht das Geringste! Ich will die Kanister, und ich will mit meinem Bruder sprechen. Außerdem ist die Zeit jetzt abgelaufen. Also was ist, Grillo? Bleibst du dabei, dass du nicht erpressbar bist?«
Lohmanns Mund klappte auf, als er begriff, dass die Stimme aus dem Lautsprecher dem ehemaligen Fischer gehörte, der auf Pirat umgeschult hatte und offenbar auch noch auf Highjacker. Er schauderte und bemerkte, dass alle Augen auf einen kleinen, mageren Mann im Trenchcoat gerichtet waren, der an einem Schreibtisch stand. In der einen Hand hielt er einen Telefonhörer, mit der anderen massierte er sich die Stirn. Das musste der Einsatzleiter sein.
Dann entdeckte er seinen Onkel, den Polizeipräsidenten, der neben dem kleinen Mann stand und ihn beinahe flehend ansah. Auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen.
In diesem Moment traf Wolf ein. Er schaute sich um, entdeckte Lohmann und hielt geradewegs auf ihn zu. »Wo ist Mara?«, fragte er im Flüsterton. »Sie hat mir versprochen, sofort herzukommen, und müsste längst da sein.«
»Demnach haben Sie sie erreicht?«
»Ja, gleich nachdem Sie fort waren. Da befand sie sich bereits am Flughafen. Verdammt, wo steckt dieses Weib?«
Lohmann zuckte mit den Schultern und sah betreten drein. »Vielleicht wurde sie aufgehalten …«
Wolf schnitt eine Grimasse, dann griff er zum Handy, um die Vermisste anzurufen.
Der kleine Mann im Trenchcoat bedeckte derweil die Sprechmuschel des Telefonhörers mit der freien Hand. »Er blufft«, erklärte er mit unangenehmer Stimme, die kühl und berechnend
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