Sturms Flug
diesem Tag nicht kariert, sondern uni im Tropenlook.
»Ah, hier bist du«, sagte er zu ihr, dann sah er Bernd an. »Wir kennen uns noch nicht, glaube ich? Ich bin Robert. Robert Regensburg.« Er hielt Bernd die Hand hin und schaffte es, dies kein bisschen förmlich wirken zu lassen, sondern einfach nur freundlich. Er war überhaupt ein sympathischer Kerl, wie Bernd zugeben musste, und noch schlimmer war, dass er ein wirklich gut aussehender, sympathischer Kerl war, der an diesem Abend mit Hanna ausgehen würde. Sein Händedruck war ehrlich und energiegeladen.
»Das ist Bernd«, sagte sie. »Er weiß alles über Konzertflügel. Er ist Berufsmusiker bei den Kölner Symphonikern.«
Er zwang sich ein Lächeln ab, während Robert ihn aufrichtig interessiert, fast bewundernd musterte. Verdammt, dieser Kerl hatte ein ungemein einnehmendes Wesen! Die vielen Lachfältchen um seine Augen herum deuteten auf einen heiteren Charakter hin. Und noch mal verdammt, wie sollte man so einen als Feind ansehen?
»Ich habe mich früher auch für einen ziemlich guten Klavierspieler gehalten«, erklärte er freundlich. »Aber das änderte sich, als ich Elton John live erleben durfte. Das war ’95, während der Made-in-England-Tour. Ich werde das nie vergessen, da ich damals VIP -Karten hatte. Nach dem Konzert hat sich der Meister unter die VIP s gemischt, ganz zwanglos. Klar, dass er sich auch für ein, zwei Stücke an den Flügel gehockt hat, und ich stand gewissermaßen direkt daneben.« Er lachte entwaffnend. »Wenn ich seitdem Crocodile Rock höre, weiß ich, dass ich kein guter Klavierspieler bin. So wie Elton kann man das Stück gar nicht spielen, und selbst wenn man die Noten beherrscht, klingt es im Vergleich mit seinem Klavierspiel wie Geklimper.« Er lachte abermals. »Zumindest, wenn ich es versuche.«
»Ich habe schon mit Elton John zusammengespielt«, murmelte Bernd. »Es stimmt, er ist wirklich einzigartig. Ich mag ihn.«
Hanna verschluckte sich fast an den Resten des Elefanten. »Du hast mit ihm zusammengespielt? Wie meinst du das?«
Ihm wurde heiß unter ihrem herausfordernden Blick. »Nicht ich allein, sondern das ganze Orchester. Das war vor vier Jahren, auf einer Benefizveranstaltung. Ich hatte damals noch ein Engagement in London. Die Vorstellung nannte sich Rock meets Classic .« Er zuckte mit den Schultern. »Hat Spaß gemacht.«
Was er verschwieg, war, dass er sich an jenem Abend sogar eine halbe Stunde lang angeregt mit Elton John unterhalten hatte. Anschließend hatten sich die beiden an den Flügel gesetzt und im Duett in die Tasten gehauen.
Die beiden sahen ihn staunend an, und Robert stieß einen anerkennenden Pfiff aus, dann nickte er in Richtung Flügel. »Kleine Kostprobe?«
»Das kann ich nicht machen«, protestierte Bernd. »Das Instrument gehört mir doch gar nicht.«
Hanna klatschte in die Hände. Sie war sofort Feuer und Flamme, und in diesem Moment glaubte er, dass es ihre Begeisterungsfähigkeit war, die sie so attraktiv machte. »Bitte, bitte!«, quengelte sie wie ein Kind. »Wer sollte etwas dagegen haben?«
Er sträubte sich immer noch, hob abwehrend die Hände. »Ich bin aber kein besonders guter Klavierspieler. Die Violine ist mein bevorzugtes Instrument.«
Wenig später war der nicht besonders gute Klavierspieler in seinem Element. Er begann mit Crocodile Rock , ließ dann leisere Töne folgen, und zum Schluss intonierte er Leonard Cohens Hallelujah , zu dem er sogar sang. Und dass er nicht gut spielte, war die Untertreibung des Jahrhunderts, denn er beherrschte nicht nur die Saiten meisterlich, sondern auch die Klaviatur. Der Gesang konnte sich ebenfalls hören lassen.
Und so verwunderte es nicht, dass er binnen kürzester Zeit fast vierzig Zuhörer hatte, die sich um den Flügel scharten, angefangen bei den Kellnern und dem Barmann bis hin zu mehreren Hotelgästen, die von den Klängen angelockt worden waren.
Als der letzte Ton verstummte, brandete tosender Beifall auf, eine Zugabe wurde verlangt.
Er lachte, doch das Lachen blieb ihm sogleich im Hals stecken. Denn als er in die Runde schaute, waren Hanna und Robert verschwunden.
So viel zum Thema Jeep-Ausflug. Er ließ die Zuhörerschar stehen und eilte auf sein Zimmer. Von dort aus rief er in der Bar an und ließ sich einen weiteren Elefanten sowie einen Tom Collins bringen. Dem einen folgten drei oder vier weitere, die er im Laufe des Nachmittags bestellte.
Und dann musste er sich übergeben, wie er sich noch nie übergeben
Weitere Kostenlose Bücher