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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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hatte.
    So sieht also ein Pirat aus , dachte Bodo Lohmann und rieb sich gedankenverloren das glatt rasierte Kinn. Er musterte Omar Aidid aus sicherer Entfernung durch das Fensterchen in der Tür zum Verhörraum.
    Sein Puls raste, seine Haut kribbelte. Nur noch wenige Augenblicke, dann würde er sich eine Zigarette anzünden und salopp rauchend den Verhörraum betreten. Er hatte sich seine Taktik haargenau zurechtgelegt. Er würde sich nicht vorstellen, nicht grüßen, kein einziges Wort sprechen. Stattdessen beabsichtigte er, sich schweigend an den Tisch zu setzen, um dort mit akribischer Gelassenheit seine Akten auszubreiten. Die würde er eine volle Minute oder länger studieren, immer noch still wie ein Grab. Psychokrieg nannte man das. Dann, ohne Vorwarnung, würde er den Kopf hochreißen und sein Gegenüber eindringlich aus zusammengekniffenen Augen mustern. Der Rest wäre reine Formsache. Binnen kürzester Zeit würde er den Somalier in die Ecke gedrängt haben, und das Ergebnis wäre ein lupenreines Geständnis. Der Verbrecher würde dasitzen wie ein kleiner Junge, zitternd, gebrochen, mit den Nerven am Ende.
    So zumindest hatte sich Lohmann die Szene ausgemalt, vergangene Nacht, als er wach gelegen hatte vor lauter Nervosität. Erst kurz vor fünf waren ihm schließlich die Augen zugefallen, doch bereits um Punkt sechs hatte der Wecker die Nachtruhe für beendet erklärt.
    »Alles in Ordnung, Herr Staatsanwalt?«
    Der Vollzugsbeamte namens Schmitz, Rinderhälfte, schaffte es, die Anrede wie Hohngelächter klingen zu lassen.
    Lohmann ignorierte die Provokation. Er räusperte sich. »Alles in Ordnung. In bester Ordnung sogar, möchte ich meinen. Ich würde vorschlagen, dass wir beginnen. Sind Sie bereit?«
    Die Beamten nickten, der Dolmetscher ebenfalls.
    Lohmann griff in die Tasche seines Jacketts und förderte eine Zigarettenschachtel zutage. Er war Nichtraucher, doch die Rolle des knallharten Strafverfolgers verlangte zuweilen ungewöhnliche Methoden. Selbstverständlich hatte er gestern heimlich geübt und war drei Dutzend Mal mit der Kippe im Mundwinkel vor dem Spiegel auf- und abgeschlendert. Dieses Schauspiel würde er nun so gut es ging wiederholen.
    Schmitz schüttelte den massigen Kanisterkopf. »Sie dürfen hier nicht rauchen«, mahnte er. »Ist strikt verboten. Außer in den Raucherbereichen.« Er lächelte gönnerhaft. »Wenn Sie es nicht mehr aushalten, können Sie draußen im Hof …«
    Lohmann winkte ab. Verärgert ließ er die Zigaretten wieder verschwinden. »Nicht nötig. Lassen Sie uns anfangen.«
    Die Tür schwang auf. Der Gefangene, Omar Aidid, der bis zu diesem Moment scheinbar gelangweilt dagesessen und leise vor sich hin gesummt hatte, hob ruckartig den Kopf. Feindselig starrte er dem Jungstaatsanwalt entgegen.
    Dieser wurde gewahr, dass man dem Gefangenen Handschellen angelegt hatte. »Sagen Sie«, wandte er sich an Schmitz, »ist es wirklich nötig, den Mann zu fesseln? Sollten wir ihm das nicht ersparen?« Ein genialer Einfall schoss ihm in den Sinn. Wenn er, der Ankläger höchstpersönlich, befahl, dass man Aidid von den Eisen befreite, nahm er ihn damit gleich für sich ein. Das würde ganz bestimmt die Kooperationsbereitschaft des Somaliers fördern.
    »Keine gute Idee!« Der Tonfall, in dem Hälfte das sagte, ließ deutlich erkennen, dass er bereits den bloßen Gedanken als Idiotie betrachtete. »Der Kerl ist gefährlich. Lassen Sie sich nicht davon täuschen, dass er wie ein Priesterschüler aussieht. Erst gestern haben wir ihn dabei erwischt, wie er in seiner Zelle eine Waffe herstellen wollte. Aus einer Schraube, die er aus der Werkstatt geklaut hat.«
    »Und vorige Woche ist er auf seinen Pflichtverteidiger losgegangen«, warf der zweite Vollzugsbeamte ein. »Der Typ ist unberechenbar. In der einen Sekunde sitzt er still da und tut so, als könne er kein Wässerchen trüben, und in der nächsten rastet er völlig aus. Also seien sie vorsichtig.«
    Die Warnung erinnerte Lohmann daran, was er in den Akten über Aidid gelesen hatte. »Äh … gut. Ich schlage also vor, dass wir ihn gefesselt lassen, ja? Sie wissen schließlich am besten, was nötig ist.«
    Grundgütiger, die Sache glitt ihm aus den Händen, noch bevor das Verhör begonnen hatte. Er räusperte sich. Okay, ab nun galt es, zu punkten und alles haargenau so durchzuziehen, wie er es sich vorgenommen hatte.
    Er krallte die Finger in das Leder des Aktenkoffers, ging verhaltenen Schrittes auf Aidid zu. Sieh ihn nicht

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