Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
Vom Netzwerk:
an , noch nicht, ermahnte er sich. Und beweg dich nicht zu langsam, sonst denkt er, du hättest Angst vor ihm.
    Etwas forscher als beabsichtigt nahm er Platz, legte den Koffer auf den Tisch und wollte sich den Stuhl zurechtrücken, doch der ließ sich partout nicht bewegen. »Verdammt!«, entfuhr es ihm. »Was ist denn das …«
    Er hatte den Eindruck, den Piraten kichern zu hören, als sich Schmitz zu ihm herabbeugte. Grinsend, wie er aus den Augenwinkeln sah.
    »Das Mobiliar ist am Boden festgeschraubt«, erklärte Hälfte. »Aus Sicherheitsgründen. Damit niemand mit einem Stuhl erschlagen wird.«
    »Verstehe«, murmelte Lohmann so zwanglos wie möglich. Umständlich breitete er die Akten auf dem Tisch aus. Dabei war er bemüht, das Zittern seiner Hände zu unterdrücken. Er hörte Aidids Atem rasseln, blieb jedoch seinem Plan treu und würdigte ihn keines Blickes.
    Schließlich hielt er es nicht mehr aus und sah von den Papieren auf. Omar Aidid, dessen Gesicht nur etwa einen Meter von seinem entfernt war, funkelte ihn bösartig an. Lohmann zuckte unwillkürlich zurück. Das Weiße in den Augen des Somaliers war gelb, sein stechender, hasserfüllter Blick ging Lohmann bis ins Mark.
    Dabei sah der Kerl ansonsten keineswegs beeindruckend aus, ganz im Gegenteil. Er war schlank, fast dürr, mit eingefallenen Wangen und einem extrem hohen Haaransatz; das krause Haar trug er kurz geschoren. Kurzum: ein unscheinbarer Zeitgenosse, dessen Alter schwierig zu schätzen war. Doch das ging den meisten Mitteleuropäern so, wenn sie es mit Schwarzafrikanern zu tun hatten. Aus der Akte wusste Lohmann, dass Omar Aidid erst achtundzwanzig war. Hätte man ihm allerdings erzählt, einen Vierzigjährigen vor sich zu haben, hätte er keine Sekunde daran gezweifelt.
    Die beiden musterten einander, erst eine halbe Minute, dann eine volle, schließlich zwei. Keiner gab einen Mucks von sich, es herrschte Totenstille.
    Lohmann dachte an den Ratschlag, den ihm ein Kriminalbeamter gegeben hatte, der über jahrelange Erfahrung im Verhören von Schwerkriminellen verfügte. Niemals als Erster wegschauen. Sie halten das für ein Zeichen von Schwäche.
    Noch mehr Zeit verging.
    Er fragte sich, wie lange er dieses Spiel weiterspielen musste, das allmählich anfing, ins Lächerliche abzudriften. Doch er war nicht gewillt aufzugeben. Inzwischen waren geschätzte drei Minuten vergangen. Oder vier?
    »Sie wissen, was Ihnen vorgeworfen wird?«, fragte er, als es ihm zu bunt wurde.
    Der Dolmetscher, der auf dem dritten von vier Stühlen am Tisch Platz genommen hatte, übersetzte unaufgefordert.
    Die beiden Vollzugsbeamten hatten mittlerweile den Raum verlassen und warteten draußen. Lohmann nahm an, dass sie ihn durch das Sichtfenster in der Tür beobachteten, um im Notfall sofort eingreifen zu können.
    Omar Aidid schwieg, dann bewegte er stumm die Lippen. An seiner Mimik konnte man deutlich erkennen, dass die lautlosen Worte keine Komplimente waren.
    Mistkerl , dachte Lohmann. Du willst es also auf die harte Tour, wie? Das kannst du haben, Stinktier . Letzteres bezog sich auf den intensiven Körpergeruch, der von dem Gefangenen ausging. Teufel, roch der Kerl nach Schweiß!
    Omar fixierend, bemühte er sich um Schärfe in der Stimme, als er feststellte: »Am 27. Oktober diesen Jahres, um exakt 9 Uhr 49, haben Sie gemeinsam mit zwölf Komplizen den Versuch unternommen, das Frachtschiff Wappen von Norden der Colonius-Reederei zu entern und zu entführen. Dazu haben Sie sich dem Frachter mit zwei sogenannten Festrumpfschlauchbooten genähert, ein Boot von Backbord, das andere von Steuerbord. Jeder Ihrer Männer, Sie eingeschlossen, war zur fraglichen Zeit bewaffnet. Mit Sturmgewehren, Handgranaten, sogar eine Panzerfaust wurde bei der Aktion mitgeführt. Sie erkletterten das Deck der Wappen von Norden . Hierzu benutzten Sie Enterhaken, Seile und Strickleitern. Mit Ihrer Bewaffnung wollten Sie die Besatzung des Schiffes einschüchtern oder sie nötigenfalls niederkämpfen.«
    Er hielt inne, damit der Dolmetscher mit dem Übersetzen nachkam. Gleichzeitig stellte er sich das soeben Gesagte bildhaft vor.
    Es war schier unglaublich, dass man mit nur zwei Schlauchbooten und ein paar Entschlossenen ein Schiff erobern konnte, das länger war als die Haupttürme des Kölner Doms hoch, und die maßen immerhin stolze 157 Meter.
    Aber genau das geschah derzeit tagtäglich im Golf von Aden. Bevorzugtes Opfer der modernen Seeräuber waren langsame Schiffe, Riesen in

Weitere Kostenlose Bücher