Sturms Flug
Familiennamen, Vogel, war es auch diese Verehrung Birds, die dazu geführt hatte, dass man ihn Birdie oder Bird nannte. Derzeit stand er bei den Kölner Symphonikern unter Vertrag, aus Liebe zu seiner Heimatstadt und weil er an keinem anderen Ort leben wollte, doch er hatte auch schon Engagements in Leipzig und Dresden und sogar in Mailand und London gehabt.
Das erzählte er nun, in leisen Tönen, da er vermeiden wollte, für einen Angeber gehalten zu werden.
Dann kam der Kellner an den Tisch, um Hannas Bestellung entgegenzunehmen. Bernd zuckte regelrecht zusammen, als ihm bewusst wurde, dass sie immer noch seine Hände hielt. Erschrocken und wie ertappt zog er sie eilends weg und bestellte vor lauter Verlegenheit ebenfalls noch ein Wrap. Der Kellner grinste.
»Ich habe früher ein wenig Gitarre gespielt«, erzählte sie. »Nicht wirklich talentiert, aber dafür mit Begeisterung.«
»Sag mal«, schoss es aus ihm heraus, ohne dass er auf ihre Worte einging, »hast du heute eigentlich schon etwas vor?«
»Ja. Ich bin mit Robert verabredet. Wir wollen einen Schnupperkurs im Schnorcheln machen. Dabei soll man vor allem Walhaie und Meeresschildkröten zu Gesicht bekommen. Abends wollen wir dann noch mal Bob’s Music Hall aufsuchen. Ich kann’s nicht lassen.« Sie verdrehte in gespieltem Selbsttadel die Augen. »Und du, was machst du noch so?«
Er räusperte sich. »Nun … Als ich gestern in der Stadt war, habe ich ein paar Leute getroffen, Touristen aus Bayern, weißt du? Lustiges Trüppchen. Also habe ich mich einfach drangehängt, und dann sind wir mächtig versackt. Und für heute Abend ist die Fortsetzung geplant. Die Jungs wollen mich unbedingt dabeihaben. Ich freu mich drauf.« Er lächelte schief.
»Schade«, sagte sie.
»Was ist schade?«
»Dass du schon verplant bist. Sonst hätte ich dich gefragt, ob du Lust hast mitzukommen. In die Music Hall, meine ich. Für einen Berufsmusiker sicherlich eine tolle Adresse, auch wenn dort natürlich keine Klassik gespielt wird.«
»Ich mag nicht nur Klassik«, hörte er sich sagen, während er in Gedanken fluchte. Du Armleuchter! Du Hornochse! Du Esel! Die Jungs wollen mich unbedingt dabeihaben. Ich freu mich drauf. Glückwunsch! Dann dämmerte ihm die Erkenntnis, dass sie kein romantisches Interesse an Robert haben konnte, denn sonst hätte sie sich nicht freiwillig ein fünftes Rad an den Wagen montiert. Oder hatte sie nur aus reiner Höflichkeit gefragt, ob er mitkommen wollte? Zum Teufel, warum hatte er nur so wenig Fingerspitzengefühl in solchen Dingen? Okay, redete er sich ein , sie will nichts von ihm. Zumindest nichts, das über Tanzbeinschwingen und Tauchvergnügen hinausgeht. Das ist gut.
Allerdings war er sich der Gefahr bewusst, die bestand, wenn sie nun den zweiten Abend hintereinander mit dem Kerl loszog. Urlaubsstimmung, laue Nächte, Party … da konnte alles Mögliche passieren. Fieberhaft suchte er nach einer einleuchtenden Erklärung, warum die Jungs urplötzlich ganz gut auf ihn verzichten konnten, doch natürlich fiel ihm keine ein.
Aber zumindest erwachte der Georg in ihm. »Hast du Lust, morgen mit mir eine Jeeptour zu unternehmen?«, fragte er schwitzend.
»Eine Jeeptour?«, wiederholte sie.
In diesem Moment servierte der Keller die Wraps. Hannas Bemerkung lautete: »Himmel, was für ein Apparat! Den bekomme ich nie auf. Kein Wunder, dass dieses Monster Elephant heißt.«
Bernd fuhr fort und erzählte ihr, dass er in der Hotellobby sämtliche Ständer mit Ausflugsprospekten studiert habe. Dort wurden zahlreiche Exkursionen angeboten, angefangen beim Zweistundenausflug bis hin zur Zehntagessafari mit der entsprechenden Anzahl an Übernachtungen in teils malerischen Lodges sowie verschiedenen Inlandsflügen mit Propellermaschinen. Die Jeeptour, die ihm vorschwebte, war ein recht teurer Tagesausflug und insofern ungewöhnlich, da sie nicht mit einer Gruppe unterwegs sein würden. Aufbruch war im Morgengrauen, um fünf Uhr, und das Ziel war der 140 Kilometer landeinwärts gelegene Tsavo-Nationalpark mit seinen Löwen, Elefanten, Zebras und Giraffen.
»Und wer würde noch mitkommen?«, fragte sie in seltsamem Tonfall.
»Nur ein Ranger und der Fahrer, wobei der Ranger erst im Park zusteigt, wenn ich die Angaben im Prospekt richtig verstanden habe.«
»Also gewissermaßen wir beide allein, wie?«
»War halt bloß eine Idee von mir. Wir können natürlich auch …«
Er brachte den Satz nicht zu Ende, da Robert auf der Szene erschien, an
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