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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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Kathedralengröße, die höchstens fünfzehn Knoten machten, was etwa der Geschwindigkeit eines gemütlich dahinrollenden Fahrrades entsprach. Hatten die Piraten ein geeignetes Opfer gesichtet, bugsierten sie ihre schnellen und wendigen Boote neben dessen Rumpf, und zwar gleichzeitig an unterschiedlichen Stellen, um die Besatzung zu zerstreuen und damit mögliche Abwehrversuche zu erschweren. Was danach kam, glich wahrhaftig einer Piratenschmonzette Marke Der rote Korsar : Die Seeräuber warfen Enterhaken aus und hangelten sich nach oben.
    Als Lohmann zum ersten Mal von diesem Vorgehen gehört hatte, war er überzeugt gewesen, das könne unmöglich stimmen. Schuld daran war vermutlich eine Rundfahrt durch den Hamburger Hafen, an der er vor etlichen Jahren einmal teilgenommen hatte. Damals war das Ausflugsboot an einigen dicken Pötten vorbeigeschippert, die in etwa die Größe der Wappen von Norden gehabt hatten. Ozeanriesen, ein unbeschreiblicher Anblick. Auf dem Deck des Ausflugsbootes war sich Lohmann wie ein Zwerg vorgekommen, über dem sich ein Gebirge auftürmte, ein Massiv aus Stahl, das den Himmel verdunkelt hatte. Unvorstellbar, dass jemand den Mut aufbrachte, an einem Strick in solche Höhen zu klettern, noch dazu bei starkem Wellengang auf hoher See. Er selbst hätte sich das nie im Leben getraut. Dennoch geschah es weitaus öfter, als den Meisten lieb war.
    Auch seine ursprüngliche Annahme, dass derartige Enterversuche kinderleicht abzuwehren sein müssten, hatte sich als Irrtum erwiesen. Die Besatzung der Wappen hatte ihn aufgeklärt. Nach ihrer Schilderung kamen moderne Containerschiffe und Tanker mit vergleichsweise wenig Personal aus, dreißig Mann galten gemeinhin schon als große Besatzung. Folglich konnte man die Piraten nicht mit menschlicher Übermacht abschrecken. Zumal sie bis an die Zähne bewaffnet waren und bereit, über Leichen zu gehen. Die Schiffsbesatzungen hingegen bestanden aus Zivilisten, aus harmlosen Seemännern, die bestenfalls mit Schläuchen kämpften, um die Enterer mit Wasserdruck in den Pazifik zu fegen.
    Wer die Piraten für tölpelhafte Kleinkriminelle hielt und sie deshalb unterschätzte, beging einen großen Fehler, auch wenn viele von ihnen ehemalige Fischer waren, die so gut wie keine Schulbildung hatten. Doch das machte sie nicht ungefährlich, da sie umfangreiches Wissen über das Meer hatten, über Wind und Wetter, Strömungen und Untiefen. Ihnen zur Seite standen Veteranen, die im somalischen Bürgerkrieg für die Warlords gekämpft hatten, sowie Technik-Experten, die mit GPS -Navigationsgeräten und Satellitentelefonen umgehen konnten.
    Er fragte sich, zu welcher Gruppe Omar Aidid gehören mochte. Auf den ersten Blick hätte er tatsächlich als Fischer durchgehen können.
    »Aber kann man den Angriffen nicht ganz einfach ausweichen, indem man die Küsten meidet und sich ausschließlich auf offener See bewegt?«, hatte er den Ersten Offizier der Wappen gefragt. »Ich meine, mit ihren Schlauchbooten werden sich die Piraten kaum auf das offene Meer hinauswagen.«
    Weit gefehlt. Denn die Piraten benutzten größere Kutter, die durchaus hochseetauglich waren und den Schlauchbooten als Mutterschiffe dienten. Auf diese Weise konnten sie ein Seegebiet von rund sechs Millionen Quadratkilometern unsicher machen.
    Während ihm all das durch den Kopf ging, setzte er die Schilderung der Ereignisse vom 27. Oktober fort, wobei er Omar unentwegt anschaute.
    »Als die Besatzung der Wappen von Norden versuchte, Ihre Enterhaken von der Reling zu lösen und Sie dadurch am Erklettern des Decks zu hindern, eröffneten Sie und Ihre Leute das Feuer. Dabei wurde ein Matrose schwer verletzt, ein anderer starb später an den Folgen eines Schusses in die Brust.« Er unterbrach sich, streckte den Arm aus, hielt seinem Gegenüber den Zeigefinger vor die Nase. »Sie haben die Entercrew angeführt. Sie sind verantwortlich. Und das werde ich Ihnen nachweisen. Wenn es nach mir geht, wandern Sie lebenslänglich ins Gefängnis. Es sei denn, Sie legen ein umfassendes Geständnis ab und helfen aktiv mit, Ihre Geldgeber hinter Gitter zu bringen.«
    Omar verzog keine Miene. Es verging eine ganze Weile, bis er sich dazu herabließ, etwas zu sagen. Es war nicht viel, nur zwei oder drei kurze Sätze, die Lohmann natürlich nicht verstand. Erwartungsvoll sah er den Dolmetscher an.
    Dessen Miene spiegelte Unbehagen wider. Er zögerte.
    »Was hat er gesagt?«, verlangte Lohmann zu wissen.
    »Er … er hat Sie

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