sich nach hundert Jahren Zölibat eine Maus an, aber anstatt sich ein knackiges Mädchen aus der Region zu suchen, erwählt er eine, die sechshundert Kilometer entfernt wohnt. Typisch. Warum hast du nicht gleich eine Polin genommen? Oder eine Russin? Oder noch besser eine vom Mars? Na ja, jedenfalls kann sie dir nicht auf die Nerven fallen, da ihr euch so gut wie nie sehen werdet.«
Trotzig erklärte Bernd, dass sie ihm niemals auf die Nerven fallen würde, ganz gleich, wie oft und wie lang er mit ihr zusammen wäre. »Doch leider stellt sich das Problem gar nicht erst«, fuhr er fort. »Denn wie ich schon sagte, habe ich keinen Schimmer, wo sie wohnt.«
»Telefonnummer? E-Mail-Adresse?«
»Fehlanzeige.« Er tat einen tiefen Atemzug. »Aber zumindest kenne ich jemanden, der mir die Telefonnummer geben könnte.« Das war Robert, der nur ein paar Reihen hinter ihm saß. Er hatte Hannas oder Tamaras Nummer in seinem Handy gespeichert, da sie geschäftlich mit ihm in Verbindung treten wollte. Sie habe davon gesprochen, eine professionelle Chrysanthemenzucht aufzubauen, hatte er Bernd gegenüber behauptet. Na ja, das war wohl eher ein Hirngespinst! Wieso sollte eine Ärztin, wahrscheinlich sogar eine erfolgreiche Neurochirurgin, plötzlich auf Gärtnerin machen? Moment mal, hatte sie ihm nicht erzählt, als Teenager in einer Gärtnerei gearbeitet zu haben, da sie damals Floristin hatte werden wollen?
Georg prustete augenblicklich los, feuerte eine wahre Salve von Fragen und spitzfindigen Bemerkungen ab, und je länger er lamentierte, desto verdrießlicher wurde Bernd. Er ärgerte und schämte sich.
Um das Gespräch endlich in andere Bahnen zu lenken, erkundigte er sich nach der Post. »War ein Brief aus Italien dabei? Ich warte nämlich auf eine Nachricht aus Mailand. Am siebten Dezember findet die alljährliche Saisoneröffnungsfeier in der Scala statt. Höchstwahrscheinlich werde ich in diesem Jahr dort spielen.«
»Ein Brief aus Italien? Keine Ahnung, darauf habe ich nicht geachtet. Warte mal, ich schaue kurz nach, die Post liegt genau vor mir auf dem Tisch.«
Bernd hörte das Rascheln von Papier. Vor seinem geistigen Auge sah er Georg am Küchentisch sitzen, wie er einen Stapel Briefumschläge durchforstete.
»Mal sehen … Das dürfte eine Telefonrechnung sein … Kontoauszüge … Keine Ahnung, was das hier ist, aber der Poststempel stammt aus … pfui, Teufel, Düsseldorf, und das liegt meines Wissens nicht in Italien … Werbung … Nanu, was haben wir denn hier? Das ist ja interessant …«
»Interessant? Was?«
Georg lachte. »Birdie, Birdie, Birdie, wirst du allmählich zum Schürzenjäger?«
»Was?«, entfuhr es Bernd. »Erzähl keinen Unsinn, sondern sag mir lieber, was das für ein Brief ist, der dir so interessant vorkommt.«
»Hm … Er stammt offensichtlich von einer Frau, denn sie hat deine Adresse mit zarter Hand auf das Kuvert geschrieben. Ja, das ist eindeutig eine Frauenhandschrift. Sehr klein und sehr schön.«
»Steht ein Absender drauf?« Sein Puls beschleunigte sich, Hoffnung keimte in ihm auf. Vielleicht stammte der Brief von Hanna. Vielleicht gab es einen simplen Grund für ihre plötzliche Abreise, und diesen Grund wollte sie ihm mit ein paar Zeilen erklären. Vielleicht war es sogar ein Liebesbrief. Er hätte die Welt umarmen können. »Sag schon, wie lautet der Absender?«
»Er lautet überhaupt nicht, da er nicht draufsteht.«
»Sicher?«
»Natürlich, ich bin nicht blind.«
Bernd spürte, dass seine Hände schwitzig geworden waren. »Du musst ihn aufmachen!«, verlangte er.
»Aber … Ich kann doch nicht einfach deine Post öffnen. Ich kenne keinen Menschen, der heutzutage noch Briefe schreibt. Das steht bestimmt etwas sehr Persönliches drin.«
»Das will ich hoffen. O Mann, und wie ich das hoffe!«
»Ist der Brief etwa von ihr? Von deiner Urlaubsflamme?«
»Auch das will ich hoffen. Nun mach ihn endlich auf und lies mir die Unterschrift vor!«
»Also gut, wenn du meinst …«
Wieder ertönte das Rascheln von Papier, doch diesmal schien es eine Ewigkeit zu dauern.
Endlich war wieder Georgs Stimme zu hören. »Herrje, da hat dir aber jemand viel mitzuteilen. Sogar die ganze Rückseite ist vollgeschrieben. Außerdem pappt noch ein Klebezettel an dem Brief, auf dem eine E-Mail-Adresse steht …
[email protected]. Hayabusa? Was soll denn das sein?«
»Keine Ahnung. Die Unterschrift!«, drängte Bernd.
»Also der letzte Absatz des Briefes lautet: ›Ich würde mich