Sturms Flug
und die Strohhutträger sprangen hinaus, um wild gestikulierend neben dem Bulli herzulaufen, der mehr und mehr an Geschwindigkeit gewann.
»Nicht anhalten, Mpumelele!«, schrie sie. Ohne Rücksicht auf ihre Mitreisenden kämpfte sie sich zum Fahrersitz durch.
Einer der Verfolger polterte mit der Faust gegen die Schiebetür des Bullis und mühte sich, sie zu öffnen, doch Gott sei dank vergebens. Sein Kompagnon versuchte gar, die Weiterfahrt zu verhindern, indem er vor der Motorhaube herumsprang und den Weg versperrte.
»Bitte nicht anhalten!«, wiederholte sie in beschwörendem Tonfall.
Mpumelele schaute sie fragend und ungläubig zugleich an. Noch hatte er den Fuß nicht vom Gas genommen, der Bulli rollte im leichten Joggingtempo dahin, und der Wüterich vor der Motorhaube musste zur Seite ausweichen, um nicht überfahren zu werden. Sofort tauchte sein vor Zorn verzerrtes Gesicht am Seitenfenster auf. Keuchend trabte er neben dem Fahrzeug her, schimpfte lautstark, fuchtelte mit den Armen. Dann zeigte er auf Mara und machte die Geste des Halsabschneidens, indem er sich mit zwei Fingern über die Kehle fuhr.
Auch Mpumelele sah es, und endlich trat er aufs Gaspedal.
Verfluchter Mist! , dachte sie. Jetzt werden sie dich an der Grenze abfangen. Der Gedanke war noch nicht verraucht, als der Jeep mit den beiden Strohhutträgern bereits in wahnwitzigem Tempo an dem Bulli vorbeirauschte und in einer Staubfahne vor ihnen verschwand.
Tamara Sturm, die rasende Reporterin des Kurier , die im Begriff war, einen krachenden Skandal aufzudecken, zitterte. Ob als Folge der Malaria oder vor schierer Angst, wusste sie nicht. Wahrscheinlich war Letzteres der Fall. Zu Recht, denn sie befand sich am Ende der Welt, während ihr einziger Verbündeter ein struppiger Straßenköter war.
Kapitel 2
11 Tage vor der Entführung des Fluges SWX 714
Die Frau gefiel Bernd bereits in dem Moment, da er sie zum ersten Mal sah. Das lag vermutlich daran, dass sie ihn schon von Weitem an die amerikanische Schauspielerin Meg Ryan erinnerte, die er seit jeher mochte, denn genau wie Meg hatte sie eine strubblige blonde Kurzhaarfrisur, die ihrer Erscheinung etwas Freches, Vergnügtes verlieh.
Sie war ebenfalls ein Touri und offenbar allein unterwegs. Das wiederum war erstaunlich, da sie nicht nur verdammt gut aussah, sondern auch noch das richtige Alter hatte, um längst verheiratet zu sein. Doch von einem Begleiter war weit und breit nichts zu sehen, jedenfalls konnte Bernd keinen entdecken. Er schätzte sie auf Ende dreißig.
Sie kam als Letzte aus dem Hotel und schlenderte die breiten Stufen hinunter, um sich dann etwas abseits der schwatzenden Ausflüglerschar in den Schatten einer herrlichen Akazie zu begeben. Er beobachtete, wie sie die Sonnenbrille in die Stirn schob. Dann sah sie sich um, nicht schüchtern, aber doch zurückhaltend. Er hatte den Eindruck, dass sie auf ihn aufmerksam wurde, und für eine Sekunde kam es ihm so vor, als gelte ihr Lächeln ganz speziell ihm. Das war natürlich ein Trugschluss.
Oder etwa nicht?
In einem wahnwitzigen Anfall von Kühnheit beschloss er, es herauszufinden und sie kurzerhand anzusprechen. Doch was sollte er sagen? Hallo, ich bin Bernd, und wer bist du? Klang ziemlich unbeholfen. Dann doch besser: Hallo, man nennt mich Birdie, und ich habe es satt, im Urlaub ständig allein zu sein. Hast du Lust, das zu ändern? Okay, das war nicht nur unbeholfen, sondern obendrein plump, eine billige Anmache.
Dabei stimmte es haargenau: Bernd Vogel war genervt, immer ohne Begleitung zum Essen zu gehen und einsam mit dem Teller in der Hand am Buffet zu stehen, während sich andere verzückt darüber unterhielten, was sie an diesem Tag alles gemeinsam erlebt hatten und an den nächsten noch zu erleben gedachten. Mit einem vertrauten Gesicht an seiner Seite hätte ihm auch die heutige Safari sicherlich besser gefallen. Zu dumm, dass es ihm nicht gegeben war, auf Fremde zuzugehen und sie einfach anzusprechen. Schon gar nicht, wenn diese Fremden weiblichen Geschlechts waren.
Im Geiste hörte er seinen besten Freund Georg schimpfen, der ihn anranzte, er solle endlich mit dem Lamentieren aufhören. »Du klingst wie ein Vierzehnjähriger«, würde Georg ihm vorhalten, »und nicht wie ein Mann von einundvierzig. Was dir fehlt ist Selbstvertrauen. Versuche, dir das anzueignen! Und nun geh zu ihr und mach ihr ein Kompliment. Sag ihr, dass sie schöne Augen hat. Das hat sich bewährt, ich mache das immer so. Alles Weitere
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