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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Bollerstrue, die mittlerweile verwitwet war und mit eiserner Hand das Handelshaus ihres Mannes weiterführte, lag auf der Stadtinsel. Von hier aus hatte man nicht nur einen guten Blick auf das Königsschloss, man konnte auch einen Blick auf den Schiffbauhof des Königs werfen.
    Sich bis hierher durchzufragen, hatte Anneke einige Mühe gekostet. Mit dem Namen auf dem Umschlag konnten viele Menschen zwar etwas anfangen, aber deren Antworten und Ratschläge waren für Anneke unverständlich. Glücklicherweise waren viele so freundlich, ihr mit Zeichen die Richtung anzugeben. Nun stand sie vor dem Haus und blickte zu der hohen, gelb gestrichenen Fassade auf, die von dunkelbraunem Fachwerk durchbrochen wurde.
    Die Kassettenfenster waren, genauso wie bei Roland Martens' Haus, mit klarem Glas ausgestattet. Die Treppe war sauber gescheuert, zwischen ihr und einem kleinen Bänkchen schlängelte sich ein Efeu in die Höhe. Er musste erst vor Kurzem gepflanzt worden sein, denn die Ranke war noch nicht einmal so hoch wie Anneke.
    Ein wütender Zuruf auf Schwedisch ließ sie zusammenfahren. Eine Magd war aus der Seitentür gekommen, die auf den Hinterhof führte. Sie stemmte die Hände in die Seiten und musterte Anneke mit böser Miene. Offenbar hielt sie sie für einen Bettler oder einen Dieb.
    »Ich möchte zu Frieda Bollerstrue«, sagte Anneke und zog den Brief hervor.
    Der Blick der Magd veränderte sich nun. Ob wegen des Briefes oder weil sie deutsch gesprochen hatte, wusste das Mädchen nicht. Aber letztlich konnte es ihr egal sein, solange sie nicht weggejagt wurde. »Komm mit«, sagte die Magd jetzt auf Deutsch, wobei sie das I besonders dehnte.
    Anneke folgte ihr durch den Torbogen. Wie auch im Kontor ihres Vaters stand hier ein Handelskarren, der allerdings leer war. Im Kontor selbst rackerten sich Knechte ab. Einem, der schwer an einem Kornsack schleppte, begegneten sie im Hof. Ihre Blicke trafen sich kurz, doch offenbar interessierte sich der Bursche nicht für einen Neuankömmling.
    Vor dem Haus wollte die Magd Anneke den Brief schon aus der Hand nehmen, doch diese schüttelte den Kopf. »Ich soll den Brief persönlich überbringen.«
    Die Magd sah sie an, als hätte sie etwas Ungehöriges gesagt, dann winkte sie ihr zu, dass sie ihr ins Haus folgen möge.
    Hatte sie die Einrichtung im Marten'schen Kaufmannshaus schon für prachtvoll gehalten, blieb Anneke hier vor Staunen der Mund offen. Überall gab es kostbare Schnitzereien, Intarsien an den Wandvertäfelungen und marmorne Fußböden. Man konnte beinahe glauben, man sei in ein Schloss eingetreten. So pompöse Möbel, wie es sie hier gab, hatte sie noch nie, nicht einmal bei Roland Martens gesehen.
    Die Magd, die ihr noch immer voranging, schien nicht so recht zu wissen, wohin sie sie führen sollte.
    Plötzlich ertönte eine Frauenstimme. »Nun halte schon still, Kind, oder willst du mit schiefen Nähten vor den Altar treten?«
    Daraufhin strebte die Magd einer der Türen zu, die ein wenig offen stand. Sie klopfte und wartete, bis ein ungehaltenes »Ja!« ertönte. Nun trat sie ein und berichtete den Anwesenden im Raum von der Ankunft des jungen Besuchers mit einem Brief.
    Anneke lugte in den Raum. Zunächst sah sie nichts anderes als Stoff, ellenweise über den Boden verstreut. Es handelte sich um feine Spitze, glänzende Seide und Stoffe, deren Namen das Mädchen nicht kannte. Beinahe schien es wie ein weißer Ozean, in dem ein etwa siebzehn Jahre altes Mädchen stand, als sei sie eine Meeresgöttin.
    Offenbar waren sie mitten in eine Anprobe geplatzt – und zwar in eine sehr wichtige. Das Kleid, das zwei Frauen gerade absteckten, war für eine Hochzeit gedacht.
    »Nun, dann lass ihn reinkommen«, sagte eine Person im Hintergrund, die Anneke noch nicht sehen konnte. »Nein, besser ist es, ich komme raus, sonst beschmutzt er mir noch den Stoff.«
    Schritte ertönten und wenig später rauschte die Frau heran.
    Da es aussah, als wollte sie geradewegs in sie hineinlaufen, sprang Anneke ein Stück zurück.
    Die Frau trug ein dunkles Witwengewand, doch nicht etwa aus einfachem Stoff, wie man es in Stralsund an den verwitweten Bürgersfrauen sah. Ein grünlicher Glanz lag auf dem Gewebe, das bei jeder Bewegung raschelte wie Herbstlaub. Auch dieses Gewand hatte eine Schnürbrust, die allerdings noch enger wirkte als die an Annekes Kleid – und das, obwohl die Frau wesentlich beleibter war als sie.
    »Wo hast du den Brief?«, fuhr sie Anneke an und streckte die Hand

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