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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Spaß! Welcher protestantische König ist zu diesen Zeiten in seinem Schloss? Dort verkriechen sich nur diese Papisten. Du müsstest König Gustav eigentlich fast auf die Füße getreten sein, so dicht, wie er bei Stralsund war.«
    »Ich habe ihn dort leider nicht gesehen«, bedauerte Anneke.
    »Nun ja, macht auch nichts«, gab der Seemann zurück. »Hier in Stockholm hängt in vielen Häusern sein Bildnis, da wirst du ihn schon mal zu Gesicht bekommen. Und wenn nicht ihn, dann immerhin sein neuestes Schiff.« Er deutete auf ein Bauwerk, das wie eine Werft aussah. »Siehst du, da drüben?«
    Anneke nickte.
    Ein halb fertiges Schiff schwamm vor der Werft im Wasser. Es war riesig. Seine Masten reckten sich hoch in den Himmel und ein Teil der Takelage war bereits angebracht worden. Bald würde es in See stechen.
    »Das da ist das neueste Schiff des Königs«, sagte der Seemann, der ihren Blick bemerkt hatte. »Man munkelt, dass es den Namen der königlichen Familie tragen wird: Vasa.«
    »Es ist prächtig«, war alles, was Anneke dazu erst einmal sagen konnte.
    »Mehr noch als das«, gab der Seemann zurück. »Siehst du die Stückpforten, hinter denen sich die Kanonen verbergen? Wenn es erst einmal in See sticht, werden Schwedens Feinde nichts mehr zu lachen haben. Es wird der Schrecken für die Russen und die Finnen sein, für die Polen und vielleicht auch für die Kaiserlichen, sollte es ihnen einfallen, Schweden über das Meer anzugreifen. Dieses Schiff, mein Junge, wird die Ostsee beherrschen, und selbst der Dänenkönig wird dem nichts entgegensetzen können.«
    »Und würde seine Majestät das Schiff auch schicken, um Verbündeten zu helfen?«, erkundigte sich Anneke.
    »Gewiss doch! Der Löwe wird sich diese Gelegenheit nicht nehmen lassen.«
    Wenn dem so ist, würde es auch Stralsund helfen können, ging es ihr durch den Sinn.
    »Die Vasa, mein Junge, wird von sich reden machen, glaub mir. In ein paar Jahren wird jeder Seemann davon träumen, mit ihm zu fahren. Und den Kapitän wird man überall wie einen König empfangen.«
    Wieder tönte ein Ruf über ihre Köpfe hinweg. An Deck herrschte bald geschäftiges Gewimmel. Die Matrosen erklommen die Wanten und begannen, die Segel zu reffen, während sich andere darauf vorbereiteten, die Trosse auszuwerfen und das Schiff festzumachen.
    Anneke verschwand unter Deck und holte ihr Bündel. Den Brief ihres Vaters schob sie unter das Hemd. Namen und Adresse ihrer Tante hatte sie sich in den vergangenen Tagen genau eingeprägt. Zuweilen hatte sie auch mit dem Gedanken gespielt, den Brief zu öffnen und nachzulesen, was drin stand. Aber das gebrochene Siegel hätte sicher einen schlechten Eindruck gemacht.
    Aufregung überkam sie. Würde ihre Tante nett zu ihr sein oder sie ablehnen, so wie Hinrich? Wenn sie ihrem Vater ähnelte, würde sie eine schöne Zeit in Stockholm erwarten.
    Mittlerweile hatte das Schiff den Pier erreicht, die Matrosen waren gerade dabei, es zu vertäuen.
    Als die Landebrücke angelegt wurde, blickte sich Anneke suchend nach Johann um, von dem sie sich eigentlich verabschieden wollte. Doch sie konnte ihn nicht finden.
    Da es Vormittag war, befanden sich unzählige Menschen auf der Straße. In der Nähe des Hafens lag auch der Fischmarkt. Obwohl die Luft etwas frischer war als in Stralsund, konnte man den Inhalt der Fischkisten schon von Weitem riechen.
    Nachdem sie das Schiff verlassen hatte, blickte Anneke auf zu den Möwen, die kreischend über dem Platz kreisten.
    Eigentlich war es hier nicht so viel anders als in Stralsund.
    An hohe Speicher schlossen sich Schenken und Bürgerhäuser an. Die meisten Menschen trugen dunkle Gewänder, einige fielen dazwischen mit ihren bunten Roben und Kleidern auf wie exotische Vögel.
    Das Stimmgewirr war für Anneke nicht zu verstehen. Die schwedische Sprache klang irgendwie vertraut, andererseits aber völlig fremd. Nach deutschen Sprachfetzen lauschte sie hier vergebens.
    Anneke fragte sich, wie sie den Weg finden sollte. Gleichzeitig überlegte sie, ob sie sich umziehen sollte.
    Aber da ihr kein Ort eingefallen wäre, an dem sie das tun konnte, ohne gegen Sitte und Anstand zu verstoßen, machte sie sich in ihren Jungenkleidern auf die Suche nach Frieda Bollerstrues Haus.
    *
    Frieda Martens war in jungen Jahren mit dem schwedischen Kaufmann Lars Bollerstrue verheiratet worden und hatte kurz nach der Hochzeit Stralsund verlassen. Ihren Bruder hatte sie zuletzt bei dessen Hochzeit gesehen.
    Das Haus der Frieda

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