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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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alle anderen mussten mit Hängematten vorlieb nehmen. Auch Anneke war gezwungen, in solch einem wackligen Gebilde zu schlafen. In den ersten Nächten bekam sie davon Rückenschmerzen, doch nach einer Weile gewöhnte sie sich daran.
    Schlimmer sah es mit dem Verrichten der Notdurft aus. Einige Passagiere hatten Nachttöpfe dabei, alle anderen mussten sich zum Bugspriet begeben, um sich zu erleichtern. Anneke versuchte stets, einen Moment abzupassen, in dem kein Matrose in der Nähe war. Ein paar Mal wäre sie um ein Haar erwischt worden, doch sie schaffte es, sich mit einer Ausrede zu behelfen. Nach kurzer Zeit kannte sie den Tagesablauf der Matrosen und versuchte, es irgendwie auszuhalten, bis alle anderswo beschäftigt waren.
    Es gab nahezu keine Möglichkeiten, sich zu waschen. Das Schiff führte nur einen begrenzten Vorrat an Trinkwasser mit sich und das war hauptsächlich zum Kochen und Trinken bestimmt. Salzwasser zum Waschen wurde zwar hochgeholt, aber es reichte nur, um sich Hände und Gesicht notdürftig zu reinigen. Mehr hätte sich Anneke auch nicht getraut, denn sie wollte nicht, dass man sie als Mädchen erkannte. Die anderen Frauen hielten es ebenso. Auch wenn wahrscheinlich jede von ihnen die Geschlechtsgenossin in Männerkleidern erkannte, so sprachen sie sich nicht darauf an. Die Reise, die hin und wieder recht turbulent und stürmisch verlief, ging nach Nordosten und dann an der Küste Schwedens entlang. Anneke hatte Schweden noch nie auf einer Landkarte gesehen und wusste nicht, wie groß es war. Auf jeden Fall erschien ihr die Landschaft mit Fjorden, Steilküsten und Stränden endlos.
    Anneke bemühte sich, so oft wie möglich an Deck zu kommen. Ihre Verkleidung schien niemand zu durchschauen. Hin und wieder wurde sie von Matrosen weggescheucht, weil sie im Weg stand. Sie hielt sich abseits, um mit möglichst wenig Menschen reden zu müssen, die ihre Verkleidung vielleicht durchschaut hätten.
    Doch mit einem alten Seemann freundete sie sich sogar an.
    Der Mann, der den Namen Johann trug, war schon auf vielen Schiffen gefahren und sogar einmal um Kap Hoorn gesegelt.
    Wie er denn auf dieses Schiff gekommen sei, wollte Anneke von ihm wissen, und darauf erzählte er ihr eine lange, verwickelte Geschichte, die schließlich darauf hinauslief, dass er eine Frau getroffen und sich in sie verliebt hatte. Daraufhin beschloss er, nicht mehr allzu weit von seiner Heimatküste wegzufahren, damit er häufiger bei ihr sein konnte.
    Auf die Frage, warum er denn seine Frau nicht nach Schweden bringen würde, antwortete er: »Weil sie einfach nicht aus ihrer Hütte fortwill. Und glaub mir, wenn ihr einer von den Popenknechten zu nahe kommt, wird er sein blaues Wunder erleben.«
    Nach über einer Woche auf der Ostsee erreichten sie Stockholm. Anneke verließ die Hängematte und lief an Deck.
    Als sie die Silhouette der schwedischen Hauptstadt erblickte, waren die Mühen der Reise vergessen.
    »Da staunst du, was?«, fragte Johann, der plötzlich neben ihr aufgetaucht war. »Warte erst mal, bis du das Königsschloss und die Kronen an seinem höchsten Turm siehst. Von ihnen hat es seinen Namen ›Tre Kronor‹.«
    »Sind das echte Kronen?«, fragte Anneke und hätte um ein Haar vergessen, ihre Stimme zu verstellen.
    »Nein, sie sind aus Stein, aber mit Gold überzogen. Der König hat sie in Auftrag gegeben, um dem Schloss mehr Glanz zu verleihen. Viele Goldmünzen mussten dafür eingeschmolzen werden.«
    Mehr konnte der Seemann ihr nicht erzählen, denn der Kapitän rief die Männer an ihre Posten.
    Während der Überfahrt hatte Anneke miterlebt, dass Peter Sörensen ein ziemlich strenger Befehlshaber war. Parierten die Matrosen nicht, bekamen sie die Peitsche zu schmecken.
    Wenige Stunden später fuhren sie in den Hafen von Stockholm ein. Davor gab es zahlreiche kleine Inseln, an denen der Kapitän vorbeimanövrieren musste.
    Anneke reckte den Hals, um das Schloss auszumachen.
    Und tatsächlich, als ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke fiel und die Kronen traf, strahlten sie ihr wie ein Leuchtfeuer entgegen. Erst jetzt erkannte Anneke, dass sie einen Reichsapfel umkreisten. Das war der seltsamste Wetterhahn, den sie je gesehen hatte!
    »Siehst du, sie begrüßen uns«, sagte Johann, der nun wieder neben sie getreten war, mit einem breiten Lächeln.
    »Ist der König jetzt eigentlich im Schloss oder noch im Feld?«, fragte Anneke nach kurzem Nachdenken.
    Der Seemann blickte sie verwundert an. »Na, du machst mir

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