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Sturmtief

Titel: Sturmtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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wohl umgehend wieder abreisen wollen. Ein Roman mit griechischen
Schriftzeichen vervollständigte das Reisegepäck, wenn man von den sauber in
einer Mappe gebündelten Papieren absah.
    Obenauf lag ein Foto, das eine attraktive Frau mit langen Haaren zeigte, die zwei fröhlich lachende Kinder im Arm hielt. Ob die
Familie wusste, welcher Tätigkeit der Vater und Ehemann nachgegangen war? Wie
viel Überwindung bedurfte es, um nach der kaltblütigen Hinrichtung eines
Menschen wieder nach Hause zu fahren, die Ehefrau zärtlich zu liebkosen und die
Kinder mit den Händen zu streicheln, die zuvor ein Menschenleben ausgelöscht
hatten? Lüder wollte es sich nicht vorstellen.
    Proastiakós schien sich seiner Sache sehr sicher
gewesen zu sein. Nach dem Auftreten in der Eckernförder Buchhandlung wunderte
es Lüder nicht, dass er in der Reisetasche Dossiers fand, die offen herumlagen.
Jedes umfasste ein, zwei Seiten und war ähnlich strukturiert.
    Lüder blätterte im ersten. Es galt Hannah Eisenberg.
Neben mehreren Bildern, die die Frau in unterschiedlichen Posen zeigte, waren
auch persönliche Daten enthalten: Geburtstag, Körpergröße, Gewicht, besondere
Merkmale und – darüber staunte Lüder besonders – die korrekte Anschrift ihres
Ferienappartements in Oldenburg neben der Handynummer, einem Bild und einer
Beschreibung ihres Leihwagens.
    Ein weiteres Dossier galt Lüder. Es zeigte ihn vor
seinem Haus, eine Aufnahme war in der Kieler Innenstadt entstanden, eine
weitere zeigte ihn als Porträt. Außerdem gab es neue Aufnahmen seiner Kinder
und von Margit. Lüder wurde mit dem korrekten Namen, dem akademischen Grad und
der richtigen Dienstbezeichnung benannt. Es fehlten weder seine Handynummer
noch die exakte Bezeichnung seiner Dienststelle und die Durchwahl.
    Versonnen sah Lüder auf das Papier. Es wunderte ihn
nicht mehr, dass die Gegenseite über jeden seiner Schritte informiert war.
Damit war aber noch nicht geklärt, wer im Hintergrund die Informationen
beschafft und ausgehändigt hatte.
    Zwei weitere Dossiers vervollständigten die Sammlung: Dr. Hans-Wilhelm Bringschulte und Dr. Mehdi Ahwaz-Asmari vom GKSS -Forschungszentrum. Lüder
schauderte. War das eine Art Todesliste? Robert Havenstein fehlte in dieser
Sammlung. Wenn Lüders Vermutung zutraf, dass Proastiakós Deutschland nach dem
Mord an dem Journalisten auf schnellstem Weg verlassen hatte, so erübrigte sich
das Dossier. Hatte der Zyprer wirklich den Auftrag, die anderen drei zu
ermorden? Auch Lüder als Mitwisser? Eine Antwort darauf würde Lüder nicht mehr
bekommen. Ihm blieb nur die Vermutung.
    Jedenfalls bestätigte dieser Fund, was Lüder schon lange wusste: Proastiakós hatte im Auftrag gemordet.
    Es war überraschend, dass Lüder außer dem Bild der
Ehefrau mit den Kindern nichts Persönliches fand, keine Ausweispapiere, keine
Kreditkarte, nicht einmal ein Feuerzeug. Auch ein Flugticket vermisste Lüder.
Lediglich ein handgeschriebener Zettel fand sich noch in den Unterlagen. Es war
eine Zahlenfolge von elf Ziffern, die mit 0170 begann. Es war eine deutsche
Mobilfunknummer.
    Lüder setzte sich auf die Bettkante und wählte den
Anschluss. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich eine Männerstimme meldete, die
Lüder vertraut vorkam.
    »Hallo?«
    »Auch hallo«, sagte Lüder und schwieg. Er wollte
hören, wie der andere reagierte.
    »Was wollen Sie?«, fragte sein Gesprächspartner nach langen Sekunden des Schweigens.
    »Mit wem spreche ich?«, antwortete Lüder mit einer
Gegenfrage.
    »Sie haben doch mich angerufen.« Der andere ließ sich
nicht aufs Glatteis führen. »Dann wissen Sie es doch.«
    »Aber nur, weil ich Ihre Stimme erkannt habe«,
entgegnete Lüder. Dabei erinnerte er sich, dass der Zyprer beim Anruf in Lüders
Wohnung davon gesprochen hatte, dass es angeblich gelungen war, einen weiteren
Beamten zu bestechen.
    Nun war ein kehliges Lachen zu hören. »Jetzt habe ich
Sie auch erkannt, Herr Dr. Lüders. Wie kommen Sie an diese Nummer? Ich bin
überrascht.«
    »Ich auch«, antwortete Lüder, immer noch reserviert.
»Ist das Ihr Telefon?«
    »Nein«, lachte Hauptkommissar Vollmers. »Wir haben es
in der Tasche des Toten gefunden.«
    »Dov Eisenberg?« Nun war es an Lüder, überrascht zu
sein.
    »Ja. Und als das Handy klingelte, war ich natürlich
gespannt, wer dort anrief. Und wie kommen Sie zu dieser Nummer?«
    Lüder erklärte es.
    »Potz Blitz«, staunte Vollmers. Das heißt, dass …«
    »… Proastiakós seinen Mörder kannte, der

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