Sturmtief
Wehrführer ist bestochen worden,
damit er schweigt.«
»Dafür gibt es keine Beweise«, entgegnete der
Ministerpräsident. »Obwohl man munkelt, dass er von dritter Seite ein wenig
Unterstützung erfahren hat.«
Lüder legte beide Unterarme auf die Tischkante und
faltete die Hände zusammen. »Natürlich durfte nie herauskommen, was dort
passiert ist. So sind auch alle Anstrengungen zu verstehen, wissenschaftliche
Untersuchungen im Keim zu ersticken. Und die erkrankten Kinder? Das ist ein
Kollateralschaden.«
In Lüder keimte der Zorn auf. Bei allem Verständnis
für den Bedarf eines Staates an Schutz und Geheimnissen galt für ihn ein
Menschenleben immer noch mehr.
»Mir ist darüber hinaus bekannt, dass dort hoch
angereichertes Uran 95 verwendet wird«, ergänzte Lüder nach einer Weile und
schluckte. Es wollte ihm nicht gelingen, seine Betroffenheit zu verbergen. »Mit
dem kann man auch eine Atombombe bauen.«
»Richtig. Die Bundesrepublik hat freiwillig auf die
Entwicklung und den Einsatz von Atomwaffen verzichtet. Nun dürfen Sie das freiwillig nicht zu hoch bewerten. Wir wurden und werden immer noch kritisch von der Welt
beobachtet, auch von unseren Freunden und Verbündeten. Ich möchte Sie daran
erinnern, dass sich Frankreich und England ganz massiv gegen die deutsche
Wiedervereinigung gewandt hatten. Westeuropa war fest in der NATO verankert. Trotzdem haben die
Franzosen ihre Atomstreitmacht, die Force de Frappe, ausdrücklich aus der NATO herausgehalten. Haben Sie sich
einmal gefragt, warum?«
Lüder nickte. »Sie wollten ihre Unabhängigkeit
bewahren.«
»Genau. Auch die ›Freunde‹ beobachten sich
argwöhnisch. Was glauben Sie, was passiert wäre, wenn Deutschland sich auf
atomarem Feld wiederbewaffnet hätte? Das war 1986. Da gab es noch den Eisernen
Vorhang, und Ost und West standen sich auch militärisch gegenüber.«
Der Ministerpräsident hatte recht. Aber … »Entgegen
allen Zusagen hat man aber doch an der Entwicklung von atomaren Waffen
gearbeitet?« Lüder kleidete die Feststellung in eine Frage.
»Ein Land wie unseres kann sich nicht von anderen
abhängig machen. Nicht in existenziellen Fragen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel
nennen. Seit Jahren fordern die Alliierten verschärfte Kampfeinsätze der
Bundeswehr in Afghanistan, wo wir uns auf den Wiederaufbau konzentrieren
sollten. Und als die Sache mit dem Bombardement auf die Tanklastwagen geschah,
sind die anderen über Deutschland hergefallen und haben die Bundeswehr in einer
weltweiten Kampagne verurteilt. Passt das zueinander?«
»Deutschland hat also Atomwaffen entwickelt und
produziert?«
Der Politiker wiegte seinen massigen Kopf. »Ich würde
es anders formulieren. Wir haben geforscht.«
»Und wie steht es mit der Produktion?«
Sein Gegenüber nahm einen großen Schluck Bier, bevor
er antwortete: »Ich weiß vieles. Aber das …« Er zuckte mit den Schultern.
»Gauben Sie mir: Ich weiß es nicht. Ich vermute aber, dass es keine deutsche
Produktion gibt.«
»Solche Waffen müssen auch abgeschossen werden«, sagte
Lüder und dachte erneut daran, wie sehr sich Hannah Eisenberg für die
Marinebasis in Eckernförde interessiert hatte. »Gibt es hier vielleicht eine
Zusammenarbeit mit Israel? Israel hat zu den drei schon früher erworbenen
Dolphin-U-Booten ein weiteres bei der Kieler Werft HDW bestellt. Laut der Zeitung ›Maariv‹ ist allerdings die
Finanzierung des eine viertel Milliarde Euro teuren Projekts unklar.«
Der Ministerpräsident nickte. »Das sichert dringend
benötigte Arbeitsplätze in der kranken norddeutschen Werftindustrie. Daran kann
auch ein verantwortlicher Politiker eines finanzschwachen Landes nicht
vorbeigehen.«
»Außerdem munkelt man, dass die U-Boote mit atomar
bestückten Marschflugkörpern ausgestattet sein können oder sogar werden. Gibt
es Ähnliches bei der Bundesmarine?«, fragte Lüder.
Der Ministerpräsident sah an Lüder vorbei, bis er
schließlich den Kopf schüttelte. »Das sind Fragen, die wir nicht
weiterverfolgen sollten. Kehren wir deshalb zum kriminalistischen Teil dieses
Falls zurück. Ich ahne, auf welche Zusammenhänge Sie gestoßen sind.«
»Ich habe zunächst noch eine andere Frage. Woher
wussten der Betriebsleiter des Atomkraftwerks und der Kinderarzt Dr. Feldkamp
von Albert Völlerings Kontakten zur russischen Gasmafia?«
»Den Arzt kenne ich nicht. Mit von Sohl habe ich
natürlich regelmäßig Kontakte gepflegt. Es mag sein, dass wir dieses Thema
irgendwann einmal
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