Sturmtief
»Robert Havenstein hat
eine hochbrisante Geschichte ausgegraben. Er hat mitbekommen, wie der Papst mit
drei anderen Religionsführern Skat gespielt hat. Dabei ging es um hohe
Einsätze. Angeblich soll der Papst dabei so viel verloren haben, dass die
anderen Religionen den Petersdom jetzt im Timesharing-Verfahren mitbenutzen
dürfen.«
Für einen Moment war es still in der Leitung. »Wollen
Sie mich verarschen, Lüders?«, fragte der Zeitungsmann.
»Das genau machen Sie mit Ihren Lesern doch auch«,
erwiderte Lüder.
»Sie werden es noch bereuen, dass Sie nicht mit der vierten
Gewalt im Staat kooperieren wollen«, drohte Dittert.
»Wer sagt Ihnen, dass ich in diesen Fall involviert
bin?«, antwortete Lüder mit einer Gegenfrage.
»Wenn irgendetwas Großes und Schmutziges im Lande
passiert, dann sind Sie dabei.«
»Dann wären wir Kollegen«, sagte Lüder. »Aber ich
bleibe lieber auf meiner Seite.«
Der Reporter knurrte noch etwas Unverständliches,
bevor die Verbindung unterbrochen war.
Lüder rief Vollmers an.
»Ich weiß«, stöhnte der Hauptkommissar, »Sie möchten
wissen, ob es schon Ergebnisse aus der Kriminaltechnik gibt.« Lüder hörte, wie
es klapperte, als Vollmers Finger über die Tastatur huschten. »Die DNA liegt noch nicht vor. Wie sollte sie
auch«, sagte er zu sich selbst gewandt. »Sehr ergiebig waren die Auswertungen
der Daktyloskopie. Wir haben zahlreiche Fingerabdrücke gefunden. Havenstein –
das ist klar. Dann weibliche Abdrücke, die wir aber nicht in unserer Datei
haben. Und die vom Täter. Der hat keine Handschuhe getragen. Er muss sich
seiner Sache ziemlich sicher sein. So etwas Abgebrühtes habe ich selten
erlebt.«
»Finden sich Hinweise in unseren Daten?«
»Das überrascht mich. Der Mörder war ein Profi. Aber
wir finden nichts über ihn. Ich habe die Anfrage auf dem Dienstweg ans BKA und nach Europa weitergeleitet.«
Vollmers meinte damit Europol. »Wir haben die Zeugenaussagen konsolidiert und
eine brauchbare Täterbeschreibung erstellt. Das Bild geht in Kürze an die
Presse. So.« Es war ein einzelnes lauteres »Klack« zu hören. »Ich habe Ihnen
das ganze Zeug rübergeschickt.«
Es dauerte nur Sekunden, bis die Daten bei Lüder
eingetroffen waren. Zunächst sah er sich das Phantombild an. Es zeigte einen
finster dreinblickenden Mann. Sicher trug dazu das südländische Aussehen bei.
Lüder war sich bewusst, dass die Zeugen bei solchen Anlässen den Täter oft
strenger und finsterer in Erinnerungen hatten. Es war das Unbewusste, das
jemanden, der solche Taten verübte, auch entsprechend bösartig aussehen ließ.
Der Mann hatte volles dunkles Haar. Die dunklen Augen waren ein wenig
zusammengekniffen und wurden durch kräftige Brauen betont. Ein leichter
Schatten lag um die zurückliegenden Augenhöhlen. Ebenso schien der kräftige
Bartwuchs einen dunklen Schimmer ins Antlitz zu zaubern, obwohl der Mörder
glatt rasiert war. Kräftige Lippen und ein herber Zug um den Mund zeugten von
Entschlossenheit. Auffallend waren die große und das Gesicht prägende Nase und
die hohen Wangenknochen. Wenn man sich auf die Zeugenbeschreibungen verlassen
konnte, dann hatte der Mann wirklich ein südländisches Aussehen. Lüder betrachtete
das Bild gründlich. Der Täter stammte nicht von der Iberischen Halbinsel und
war auch kein Italiener. Ein Korse? Ein Zyprer? Grieche? Vielleicht Balkan?
Lüder schüttelte den Kopf. Das war zu spekulativ. Es könnte sich auch um einen
Armenier oder Vorderasiaten handeln.
Dann druckte er sich die Berichte der Spurensicherung
und der Kriminaltechnik aus und studierte sie. Mehrfach las er die Texte durch,
machte sich Anmerkungen am Rand, unterstrich Textpassagen und hob Stellen mit
einem gelben Marker hervor.
Er war über die Zigarettenpackung gestolpert, die man
bei Robert Havenstein gefunden hatte. Sie durfte in Deutschland nicht verkauft
werden. Die ohnehin starke Wirkung des in fast allen Gitanes verwendeten
schwarzen Tabaks wurde bei dieser speziellen Marke noch durch das Maispapier
verstärkt, das anstatt des normalen Zigarettenpapiers benutzt wurde.
Auch in Havensteins Wohnung hatte man jede Menge
»Gitanes Maïs«-Kippen gefunden, ferner zwei nicht angebrochene Stangen und eine
Handvoll verschlossener Packungen in einem Schrank. Alles deutete darauf hin,
dass Havenstein ein starker Raucher war. Und da seine offensichtliche
Lieblingsmarke hier nicht käuflich war, hatte er entweder einen Lieferanten,
der ihn damit versorgte, oder der
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