Sturmtief
Ja, jetzt fällt’s mir wieder ein. Der
muss hier irgendwo wohn’. Hat sich manchmal ‘nen Fischbrötchen geholt. ‘nen
paar Mal war auch ‘ne Frau dabei. Das sah so aus, als wärn die frisch
verliebt.« Der Mann zwinkerte Lüder vertraulich zu.
»Wie sah die Frau aus?«
Jetzt stutzte der Imbissverkäufer. »Wartn Sie mal.
Wieso fragn Sie eigentlich?«
»Polizei«, sagte Lüder und zeigte seinen
Dienstausweis. »Reine Routineangelegenheit.«
»Ach so. Tja. Die ging dem Mann bis zur Schulter. War
eher so ‘n dunkler Typ, ich meine, keine Blondine. Kurze schwarze Haare, dazwischen
ein paar graue Strähnen, insgesamt ‘ne gepflegte Erscheinung. Aber nicht
aufgedonnert.«
Lüder bedankte sich und bestellte sich ein
Matjesbrötchen.
»Auf die Faust?«
Lüder nickte. Nachdem er bezahlt hatte, kehrte er auf
den Kai zurück und setzte sich in einen der Strandkörbe, die der findige
Imbissmann für seine Gäste vor dem Kutter aufgestellt hatte.
Wenn Lüder davon ausging, dass die Frau, die sich in
Havensteins Wohnung aufgehalten hatte, identisch mit der war, die den
Journalisten zum Fischimbiss begleitet hatte, dann hatte die Dame jetzt ein
Gesicht.
Anschließend machte sich Lüder auf den Weg nach
Oldenburg. Inzwischen war die lange Dämmerung hereingebrochen, und unterwegs
begegneten ihm schon viele Fahrzeuge mit Licht.
Lüder umfuhr Kiel auf der Stadtautobahn. Das war ein
weit hergeholter Begriff, doch hatte die Verkehrsführung merklich zur
Entlastung des innerstädtischen Verkehrs beigetragen. Er folgte der gut
ausgebauten Bundesstraße bis Raisdorf, das heute ein Stadtteil Schwentinentals
ist, und bog auf die Bundesstraße Richtung Oldenburg ab.
Die reizvolle Straße mit den in ein betörendes
herbstliches Bunt gekleideten Bäumen führte durch das leicht hügelige
Ostholstein am Selenter See entlang, stieß hinter Lütjenburg fast an die Ostsee
und erreichte schließlich Oldenburg, die ehemalige Kreisstadt, die sich den
kleinstädtischen Charme bis heute bewahrt hatte.
Hinter der Autobahnunterführung zweigte die Auffahrt
Richtung Fehmarn ab. Gegenüber versteckte sich der große Parkplatz, den sich
Verbrauchermärkte und ein großes Möbelhaus teilten. Nur wenige Meter weiter
fand Lüder die Tankstelle, deren Quittung in Havensteins Wohnung gefunden
worden war. Er parkte seinen BMW auf dem Betriebsgelände neben der großen Anzeigetafel mit den Preisen und der
rotgelben Muschel des Mineralölkonzerns. Gegenüber verbarg sich eine Kirche,
deren Turm auf vier hässlichen Betonstelzen stand. Ob Robert Havenstein und die
unbekannte Frau auch das Stellschild »Herzlich willkommen in Oldenburg« gelesen
hatten, mit dem die Stadt ihre Besucher an dieser Stelle begrüßte?
Die Tankstelle war zwischen den beiden Betriebs- und
Verkaufshallen eines Autohauses eingekeilt. Der schnelle Blick auf einen
gegenüberliegenden Pizzaservice erinnerte Lüder daran, dass er am Morgen
zuletzt gegessen hatte. Prompt bestätigte sein Magen mit einem Knurren diese
Tatsache.
Lüder wartete geduldig, bis die freundliche junge Frau
die beiden Kunden vor ihm bedient hatte. Dann fragte er nach dem Inhaber.
»Moment, ich hole ihn«, sagte die Frau mit einem
Lächeln und kehrte kurz darauf mit einem schlanken Mann in einem blauen Kittel
wieder.
Lüder stellte sich vor. »Ich habe eine Tankquittung
von Ihnen.«
Der Tankstellenpächter musterte Lüder mit einem
kritischen Blick. Deutlich war ihm die Verunsicherung anzumerken. Deshalb
beruhigte ihn Lüder. »Es geht nur um eine Auskunft. Ich bitte Sie um Ihre
Unterstützung.«
»Ach so«, sagte der Mann. Die Erleichterung war ihm
anzumerken. Lüder nannte das Datum und die Uhrzeit. »Könnten wir uns Ihre
Aufzeichnungen ansehen, die Ihre Kameras von den Zapfsäulen aufnehmen?«
»Kommen Sie mit«, forderte der Tankstellenpächter
Lüder auf und führte ihn in ein Büro, das eher einem Hightech-Rechenzentrum
glich. Er ließ sich noch einmal die Daten geben, setzte sich an einen
Bildschirm und suchte gekonnt in den Dateien. »Hier«, sagte er nach kurzer Zeit
und zeigte auf den Bildschirm. »Soll ich das vergrößern?«
Nachdem Lüder genickt hatte, zoomte der Mann den
Ausschnitt. Deutlich war der Audi mit dem Rendsburger Kennzeichen zu erkennen.
» RD - RH «. Das stand sicher für »Robert Havenstein«. Auch der
Journalist war gut abgebildet.
Lüder bat darum, die Aufzeichnungen mehrfach vor- und
zurücklaufen zu lassen. Aber nichts deutete darauf hin, dass Havenstein
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